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Seit mehr als einem Monat sinken die Einstandspreise für Erdgas. Und gerade jetzt verkünden die Energiekonzerne drastische Preissteigerungen für die heimische Gaskundschaft. Noch vor nicht einmal vier Wochen zogen heimische Politiker von Rot und Blau landauf, landab mit dem Schlagwort der Inflationsbekämpfung. Vor der Wahl musste noch schnell ein Husch-Pfusch-Gesetz durch das Parlament gepeitscht werden, um die drohende Inflationsgefahr zu bannen. | Den Mineralölkonzernen wurde sogar wegen hoher Benzinpreise eine Preisregelung angedroht. Gas- und Stromversorger hielten sich bedeckt, kein Wort kam über ihre Lippen. Nun wissen wir warum. Man wartete nur die Wahl ab, um in den letzten Tagen dann exorbitante Preissteigerungen verkünden zu können. Während die Benzinversorgung in privaten Händen liegt, sind die Gasversorger im öffentlichen Bereich angesiedelt, in der Einflusssphäre der Landespolitiker. Die scheren sich nicht um Inflationsbekämpfung.
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Den Vogel schossen dabei Wien und Niederösterreich ab. Mit 1. November wird in Niederösterreich der Gaspreis um 28 Prozent, in Wien um 21 Prozent erhöht. Auch in Oberösterreich (plus 20 Prozent) wird kräftig zugelangt, detto in der Steiermark (plus 26 Prozent). Dabei täuschen diese Zahlen sogar noch, denn der Gaspreis setzt sich aus dem Entgelt für die Gasnetze - das von der E-Control genau überwacht wird und in den letzten Jahren permanent reduziert werden musste - zusammen und aus dem Preis für die Energie. In diesem Bereich gibt es keine Kontrolle. Und dieser Energiepreis schnalzte in Niederösterreich um stolze 46 Prozent hinauf, in Wien um 36 Prozent. Aus der Kombination Netz und Energie ergeben sich dann obige Gaspreise.
Gegen diese Kalkulation ist rein rechnerisch nichts einzuwenden: Die Großhandelspreise für Gas stiegen im letzten Halbjahr um rund 45 Prozent, die nun einfach weitergegeben werden, um in den Konzernbilanzen wieder jene Rekordgewinne ausweisen zu können wie in den vorangegangenen Jahren. Wo steht aber geschrieben, dass mehr oder weniger öffentliche Unternehmen ständig Rekordgewinne ausweisen müssen? Um wieder eine Umsatzrendite von stolzen 12 Prozent zu erzielen?
In der derzeit für viele Gaskunden schwierigen Wirtschaftslage wäre etwas Bescheidenheit bei den Konzernen durchaus angebracht gewesen. Noch dazu, wo jetzt die Preise am Weltmarkt stark sinken und daher absehbar ist, dass man im kommenden Jahr die Gaspreise wieder ordentlich reduzieren wird müssen.
Aber die Gier vieler Gaskonzerne kennt keine Grenzen. Wie ist es sonst erklärlich, dass oberösterreichische und steirische Gasversorger drastisch die Preise erhöhen und auf dieser Basis der Kundschaft jetzt eine zweijährige Preisgarantie einreden möchten - und dafür sogar noch einen kleinen Zusatzbetrag verlangen? Wer sich zu so einem Fixpreis überreden lässt, darf dann bis 2010 den hohen (garantierten!) Gaspreis bezahlen, während in Anbetracht der sinkenden Ölpreise (an die der Gaspreis ja gekoppelt ist) schon längst ein weit niedrigeres Niveau am Markt Platz gegriffen haben wird.
Übrigens: Sechs deutsche Gasversorger haben vor kurzem ihre geplanten Preiserhöhungen verschoben - unter dem Druck der Öffentlichkeit. Wie meinte der österreichische Sozialminister Erwin Buchinger dieser Tage: "Der Mensch muss das Maß aller Dinge sein, die Maßlosigkeit der Wirtschaft ist der Grund für die Finanzkrise."
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