Hauptstadt Zyperns bleibt in zwei Hälften geteilt. | Griechische Zyprioten stoppten Mauerabriss. | Nikosia. Die Ledra-Straße endet abrupt. Die Fußgängerzone im Zentrum der zypriotischen Hauptstadt Nikosia ist gesäumt von Cafes und eleganten Geschäften, lebhafte Gespräche an den Kaffeehaustischen und vor den Auslagen erfüllen sie. Doch weit können die Spazierenden nicht gehen. Eine Barrikade begrenzt die Ledra-Straße, ein Soldat steht auf dem Gerüst und späht auf die andere Seite. Dahinter führt der Weg in verwildertes Gebiet. Verfallende Gebäude sind zu sehen, Geschäfte und Häuser, die von ihren Bewohnern vor vielen Jahren verlassen wurden.
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Nichts darf verändert werden, in der Pufferzone, die die Soldaten der Vereinten Nationen (UNO) gezogen haben. Sie grenzt den griechisch zypriotischen vom türkisch zypriotischen Stadtteil ab. Seit mehr als 40 Jahren ist die Mittelmeerinsel geteilt. Stacheldraht, Betonwände und Barrikaden schneiden die Hauptstadt mit ihrem kreisrunden historischen Zentrum entzwei. Erst im April 2003 wurden fünf Grenzübergänge für die Bewohner geöffnet.
Nun soll ein weiterer Checkpoint geschaffen werden - in der Ledra-Straße. Doch die Arbeiten stockten diese Woche schon nach wenigen Tagen. Während die türkischen Zyprioten begonnen haben, die Barrikaden abzutragen, haben die griechischen Zyprioten das Vorhaben gestoppt. Die türkischen Zyprioten hätten sich zu weit in die Pufferzone vorgewagt und damit die Waffenstillstandslinie verletzt, ist die Begründung. Stimmt nicht, sagen die türkischen Zyprioten - und berufen sich auf die Aussagen des UN-Sprechers Brian Kelly, der meint, die Pufferzone sei unberührt geblieben. Dass sie den Übergang gerne öffnen würden, betonen beide Seiten.
Künstliche Trennung
"Eine Stadt ist ein lebendiges Gebilde", erklärt der Bürgermeister des türkisch-zypriotischen Stadtteils, Kutlay Erk, gegenüber der "Wiener Zeitung": "Doch hier werden ihre Teile künstlich voneinander getrennt." Die Probleme beschränken sich nicht auf das zerstörte Stadtbild in der verwilderten, oft hunderte Meter breiten Pufferzone. Jede Maßnahme sei doppelt zu beschließen: Wenn der Norden den Fluss säubert, sollte es der Süden auch tun. Wenn der Süden etwas zur Rattenbekämpfung unternimmt, müsste es der Norden auch tun.
Sobald Nikosia sich wieder vereinigt, müsste das gesamte Infrastruktur-System vereinheitlicht und ein gemeinsamer Stadtentwicklungsplan geschaffen werden, stellt Erk fest.
Die Zusammenarbeit auf kommunaler Ebene verläuft oft besser als auf nationaler Basis. Regelmäßig finden Treffen statt, werden Probleme gemeinsam gelöst. Auch der Bürgermeister des griechisch-zypriotischen Stadtteils, Michalakis Zampelas spricht sich für eine Öffnung des Übergangs in der Ledra-Straße aus. Dies wäre ein äußerst "willkommener Zug".
Er wäre für die rund 250.000 Menschen in Nikosia auch von symbolischem Wert. Denn an der Ledra-Straße machte sich schon 1958 die künftige Teilung der Stadt manifest. Türkische Zyprioten bildeten in dem Viertel eine Enklave - sie waren auf der Flucht vor griechischen Zyprioten, die mit Hilfe der griechischen Militärjunta einen Putsch gegen die britische Kolonialherrschaft versuchten.
Schutz oder Okkupation
1963 wurde der Stacheldraht zwischen den beiden Volksgruppen von einer Mauer ersetzt. 1974 marschierten türkische Truppen auf Zypern ein. Schutzmacht nannten sie türkische Zyprioten, Okkupanten heißen sie für griechische Zyprioten.
Als geteilter Staat ist die Insel im Vorjahr der Europäischen Union beigetreten. "Wenn wir es nicht einmal schaffen, einen kleinen Übergang zu öffnen", sagt einer ihrer Bewohner: "Wie soll es uns dann gelingen, das große Zypern-Problem zu lösen?"