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Schlagfertigkeit ist eine Tugend. Ein ganzes Genre der Berufskomik - Stand-up-Komödiantik - lebt davon. Dass man mit Hüftschüssen auch im Satirefach daneben zielen kann, hat die "Heute Show" des öffentlich-rechtlichen ZDF diese Woche erlebt. Moderator Oliver Welke musste sich für einen Beitrag entschuldigen, in dem ein AfD-Politiker wegen seines Stotterns lächerlich gemacht wurde. In der Rede ging es ausgerechnet um den Spracherwerb von Flüchtlingen - naturgemäß ein aufgelegter Elfer für eine Witze-Redaktion. Was die Humorabteilung nicht mitbekommen hatte: Die einleitende Erklärung des Mannes, dass er an einer Sprachbehinderung leidet.
Dass es einem ein Politiker so einfach macht, ihn zu verhöhnen, hätte einem vielleicht zu denken geben können. Aber das schnelle, wenig reflektierte Urteil ist ein hartnäckiger Fluch unserer Zeit. Kürzlich echauffierte sich eine Medienkommentatorin des ebenfalls öffentlich-rechtlichen NDR über die Eröffnungsshow des Deutschen Fernsehpreises: In Zeiten von MeToo gehe es nicht, dass da Frauen mit Quasteln an den Brüsten hopsen. Sie hatte die Anspielung auf die meistbeworbene, hochgelobte und hundsteure (historische) Serie "Babylon Berlin", die ihr Arbeitgeber mitfinanziert hat und die an dem Abend mehrfach ausgezeichnet wurde, nicht verstanden. Das gab sie auch zu, es focht sie aber nicht an - was kümmern einen Fakten, wenn man eine schöne Polemik haben kann. Dass man so der legitimen Kritik, die in besagtem Kommentar noch an der männerdominierten TV-Branche folgen sollte, die Schlagkraft entzieht, darf einen nicht wundern.