Baugigant ACS aus Spanien schockt Deutschland. | Hostile Takeovers weltweit stark im Steigen begriffen. | Preise für Einstieg zum Teil gezielt in die Höhe getrieben. | Florentino Pérez, Chairman und CEO der spanischen Grupo ACS, hat sich in den Kopf gesetzt, "den größten Infrastrukturkonzern der westlichen Welt" zu formen. Am 16. September sorgte er mit einem Übernahmeangebot für einen Knalleffekt: Der viertgrößte Baugigant Europas möchte die Nummer drei, die deutsche Hochtief AG mit Sitz in Essen, unter seine Fittiche nehmen - mit dem Ziel, die bereits bestehende 30 Prozent-Beteiligung mittelfristig auf über 50 Prozent aufzustocken.
Seinem deutschen Gegenüber, Hochtief-Boss Herbert Lütkestratkötter, gefällt das ebenso wenig wie den Betriebsräten: Die überrumpelten Deutschen halten das überraschende Offert für inakzeptabel und kämpfen mit allen Mitteln gegen den Deal. Sie haben insbesondere Angst, dass es zu einer Zerschlagung des börsennotierten Unternehmens und einem massiven Arbeitsplatzabbau kommen könnte. Durch die Ausgabe einer Wandelanleihe, die der Konzern aus Essen Medienberichten zufolge erwägt, soll den Spaniern die Suppe doch noch versalzen werden. Eine derartige Anleihe hätte zur Folge, dass die Gesamtzahl der Hochtief-Aktien steigen würde - die Übernahme für ACS also teurer wäre.
Die unerwünschten Avancen der machtbewussten Spanier sind beileibe kein Einzelfall: Bei milliardenschweren Transaktionen handelt es sich immer häufiger um sogenannte "feindliche Übernahmen". Allein im ersten Halbjahr 2008 mussten die Vorstände international tätiger Konzerne in rund 900 Fällen mehr oder minder tatenlos zusehen, wie sich die Eigentumsverhältnisse der Unternehmen gegen ihren Willen geändert haben.
Solche Hostile Takeovers, die früher nur dann und wann im angelsächsischen Raum üblich waren, zählen mittlerweile im weltweiten Firmen-Monopoly zu einer beliebten Methode. Beinharte Firmenjäger fallen klammheimlich, sozusagen aus dem Hinterhalt, über zum Teil unterbewertete Aktiengesellschaften her, indem sie ohne Einverständnis des zuständigen Topmanagements deren Aktionären ein Kaufangebot unterbreiten, das ihnen möglichst rasch die Stimmenmehrheit bescheren soll. Die Angst vor derartigen Aktionen ist so groß, dass sich manche Konzerne rechtzeitig nach einem geeigneten Dauer-Großaktionär umsehen.
Vodafone landeteden größten Coup
Auch deutsche Unternehmen waren involviert. Bestes Beispiel: Mannesmann musste sich nach einer monatelangen Schlacht im Jahr 2000 der britischen Vodafone geschlagen geben, der die Überrumpelungsaktion die Rekordsumme von 180 Milliarden Euro wert war. Gleich zwei Mal setzte sich die deutsche Firmengruppe Schaeffler in Szene, deren Chefin österreichische Wurzeln hat: 2001 sicherte sie sich durch eine Nacht- und Nebelaktion den Schweinfurter Konkurrenten FAG Kugelfischer. Mitte 2008 griff sie sich sodann auf ungestüme Weise nach dem Autozulieferer Continental, wobei sie sich allerdings beinahe die Zähne ausbiss. Das Engagement beim Reifenhersteller bescherte Schaeffler nämlich einen gewaltigen Schuldenberg. Die Gruppe schlitterte folglich sogar an den Rand des Ruins, obendrein ist die Fusion noch immer nicht auf Schienen.
Die Eigentümer des Mode- und Lederwarenherstellers Hermès etwa stiegen unlängst auf die Barrikaden, weil der französische Luxusgüterkonzern LVMH seinen Aktienanteil auf 17,1 Prozent erhöhte. Hermès-Chef Bertrand Puech forderte den Konkurrenten auf, doch wieder auszusteigen, weil die Inhaber "keinen Mentor" brauchen. Das heimliche Anpirschen von LVMH-Boss Bernard Arnault sorgt schon jetzt für Wirbel: Die französische Regierung soll eine Gesetzesänderung planen, um künftig schleichende Einstiege in Unternehmen zu erschweren. Der heutzutage oft praktizierte Weg, über Derivate unauffällig einen Fuß in die Tür zu bekommen, wäre somit verbaut.
Kanadas Regierungblockt Mega-Deal ab
Der Fall, dass sich Übernahme-Kandidaten gegen die exzessive Expansionslust der Angreifer stellen, ist gar nicht selten: Der australische Bergbaukonzern BHP Billiton beispielsweise, der seit August offiziell auf den kanadischen Kali-Förderer Potash spitzt, bekam bisher nichts wie Zores. Zunächst wertete es Potash-Boss Bill Doyle als Affront, dass die Australier nur mit rund 39 Milliarden Dollar (28 Milliarden Euro) herausrücken wollen. Anfang November blockierte Kanadas Regierung die Übernahme vorerst. Die Australier, enttäuscht über die Abfuhr, haben nun 30 Tage Zeit, um die Regierung in Ottawa mit einem besseren Angebot zu überzeugen. Mittlerweile scharrt aber schon der chinesische Chemiekonzern Sinochem in den Startlöchern, um als sogenannter "Weißer Ritter" zum Zug zu kommen. Der Mutterkonzern des Düngemittelherstellers Sinofert, an dem Potash beteiligt ist, möchte mit Finanzhilfe aus Peking im Zuge eines freundlichen Übernahmeangebots mehr als 40 Milliarden Dollar zahlen.
Preispoker umLuxemburgs Arcelor
Häufig wird bei feindlichen Übernahmen jedenfalls heftig um den Einstiegspreis gepokert. Das bekam etwa der weltgrößte Stahlkonzern Mittal Steel Company zu spüren, als er vor vier Jahren die luxemburgische Arcelor für 18,6 Milliarden Euro inhalieren wollte. Das Großherzogtum Luxemburg als größter Einzelaktionär lehnte das Übernahmeangebot aus Indien nämlich zunächst ab, erst einen Monat später stimmte es - nach deinem Flirt mit dem russischen Stahlkonglomerat Severstal - dem auf 25,4 Milliarden Euro erhöhten Angebot der Inder zu.
An Beispielen, wo die Angriffe schließlich abgeblasen werden müssen, gibt es keinerlei Mangel: Als sich der deutsche Pharmamulti Merck im Jahr 2006 die Schering-Gruppe einverleiben wollte, was diese nicht goutierte, sprang Bayer mit 16,5 Milliarden Euro als Retter in die Bresche. Schließlich musste auch Österreichs Ölriese OMV vor mehr als zwei Jahren seine Ambitionen vergessen, bei der diesbezüglich total abgeneigten ungarischen MOL das Kommando zu übernehmen. Die Ungarn lachten sich rechtzeitig den Sultan von Oman an, der mit seiner Beteiligung das ziemlich ungeschickte Liebeswerben des österreichischen Mineralölkonzerns beendete.