Thulisile Madonsela hat sich als nationale Ombudsfrau mit den mächtigsten Männern Südafrikas angelegt.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 7 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Die Herausforderungen für die knapp 3000 ANC-Mitglieder sind gewaltig. Denn bei der noch bis 5. Juli laufenden Planungskonferenz soll ein neuer Kurs gefunden werden, mit dem die zerstrittene Regierungspartei in Südafrika wieder jene Bedeutung bekommt, die sie zu Zeiten Nelson Mandelas hatte. Davon ist man derzeit weit entfernt. Neben der wirtschaftlichen Schieflage haben vor allem die Korruptionsaffären von Präsident Jacob Zuma den ANC in Verruf gebracht. Aufgedeckt hat diese Skandale unter anderem Thulisile Madonsela. Als nationale Ombudsfrau (Public Protector of South Africa) führte sie den Kreuzzug gegen die Korruption in ihrem Land an und machte dabei etwa öffentlich, dass der Präsident sein privates Anwesen auf Staatskosten in ein Luxusdomizil ausbauen ließ. Sie war auf Einladung des Salzburg Global Seminar im Schloss Leopoldskron zu Gast.
"Wiener Zeitung":Sie haben sich mit den mächtigsten Männern Südafrikas angelegt. Viele hat es gewundert, dass Sie sieben Jahre im Amt bleiben konnten.Thulisile Madonsela: Wir haben eine gute Verfassung in Südafrika und Leute, die diese Verfassung mit großem Einsatz verteidigen. Sonst wäre das nicht möglich gewesen. Nicht zu vergessen die wichtige Rolle der Gerichte; überhaupt ist der Stellenwert von Gesetzen in Südafrika sehr hoch.
Hat man Sie unterschätzt?
Was unterschätzt wurde, war jedenfalls meine Fähigkeit ein Team zu führen, das entschlossen war, die richtigen Dinge zu tun und die Wahrheit ans Licht zu bringen.
Auf den ersten Blick wirken Sie sanft und zurückhaltend. Es heißt aber, Sie können knallhart sein.
Ich bemühe mich, nett und höflich zu sein. Frauen in Führungspositionen suchen generell weniger Konfrontation, sondern Konsens. Wie alle Mütter kann ich aber sehr resolut auftreten.
Sie wurden körperlich attackiert und verleumdet, Sie haben Todesdrohungen erhalten und hatten neben Ihrem Job die Verantwortung für zwei Kinder. Wie viel Mut braucht es da, nicht alles hinzuschmeißen?
Mut ist nicht das Gegenteil von Angst. Für mich ist Mut die Fähigkeit, seine Angst zu überwinden, wenn man das verteidigt, was man liebt. Ich hatte schon früh einen Sinn für Gerechtigkeit. Wobei mir klar ist, dass es in einer Gesellschaft nie so etwas wie Gleichheit geben wird. Aber Ungerechtigkeit, die darf es auch nicht geben. Manche Menschen leben von ihrer Geburt bis zum Tod in Armut, das dürfen wir nicht hinnehmen.
Präsident Jacob Zuma mit seinen Skandalen gilt vielen als Inbegriff all dessen, was der ANC einmal bekämpft hat. Die Partei haben er und seine Leute aber offenbar im Griff. Ist es für Sie vorstellbar, dass der ANC bei den Parlamentswahlen 2019 die Mehrheit verliert?
Wenn der ANC sein Haus nicht in Ordnung bringt, wird er wie jede andere Partei verlieren. Dass Zuma keine Untersuchungskommission für die Korruptionsfälle eingesetzt hat, hat dem ANC enorm geschadet. Die Menschen wollen die Wahrheit, und sie wollen nicht länger auf die Früchte der Demokratie warten.
Bei den Regionalwahlen letztes Jahr hat der ANC in vielen großen Städten die Mehrheit verloren. In Port Elizabeth gibt es sogar wieder einen weißen Bürgermeister.
Bis vor kurzem hätte ich das für äußerst unwahrscheinlich gehalten, aber nun scheint sogar ein Präsident aus den Reihen der Opposition möglich. Vielleicht gibt es aber auch eine völlig neue Bewegung mit noch unbekannten Köpfen wie in Europa. Die Menschen in Südafrika müssen sich aber vor allem über eines im Klaren sein: Sie wählen niemals eine einzelne Person, sondern immer ein Führungskollektiv. Wer auch immer vorn steht, wird von einer Gruppe ins Spiel gebracht, die dann die Politik bestimmt.
Wie wäre es mit Ihnen als Präsidentschaftskandidatin?
Ich werde das beinahe jeden Tag gefragt. Aber man soll nicht unbedingt die Dinge tun, um die man gefragt wird. Man muss das tun, was man selber möchte. Ich werde eine Professur an der Universität von Stellenbosch antreten und dort eine Abteilung für Soziale Gerechtigkeit aufbauen.
Welche Rolle spielt denn in Südafrika neben den Parteien die Zivilgesellschaft?
In den ersten Jahren der Demokratie haben sich alle darauf verlassen, dass jetzt Leute an der Macht sind, die schon das Richtige tun. Gleichzeitig war der ANC tief in der Gesellschaft verwurzelt und hat viele Initiativen absorbiert. Auch die aktiven Leute haben sich nicht in der Zivilgesellschaft engagiert, sondern in den staatlichen Institutionen. Ich bin ein Beispiel dafür.
Lässt sich soziale Ungleichheit in Südafrika noch immer an der Hautfarbe festmachen?
Absolut, es gibt einen latenten Rassismus in allen Variationen. Wir haben beim Übergang zur Demokratie vor 23 Jahren nicht daran gedacht, dass die Änderung innerer Haltungen ein langer Prozess ist. Beispielsweise hätten wir mehr auf die nachkommende Generation achten müssen. Viele Kinder wurden von ihren Eltern mit der Maxime erzogen, dass Diskriminierung jetzt andersrum erfolgen muss. Diese Kinder sind extrem anfällig für Parteien, die auf die Rassismus-Karte setzen.
Mit dem "Black Economic Empowerment Act" hat man versucht, Chancengleichheit bei der Schaffung von Eigentum und bei der Besetzung von Führungspositionen herzustellen. Jene, die in der Apartheid benachteiligt waren,sollten bevorzugt werden.Funktioniert das?
Man hat jetzt entschieden, die Gruppe der Begünstigten zu erweitern. Nun heißt es: Sie müssen lediglich schwarz oder farbig oder Inder sein, um bevorzugt zu werden. Und sie müssen zur Zeit der Apartheid nicht in Südafrika gelebt haben. Das ist eine Perversion der Regeln.
Der reiche Investor aus Indien darf mit besseren Konditionen rechnen?
So ist es. Das ist erstens unfair gegenüber den weißen Südafrikanern und kreiert nur neue Probleme, weil die Ungleichheit größer wird und nicht kleiner.