Europa kann das Drama im Mittelmeer nur mit afrikanischen Partnern beenden.
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In einer bemerkenswerten Rede präsentierte die designierte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen vor dem EU-Parlament ihre "Agenda für Europa". Darin enthalten war auch ein "Pakt zu Migration und Asyl", der jedoch wenig Konkretes enthielt. Ähnlich wie ihr Vorgänger plädiert sie für ein gemeinsames europäisches Asylsystem, eine Reform der Dublin-Regelung und die faire Verteilung von Geflüchteten. Die Aufstockung von Frontex will sie beschleunigen und die Zusammenarbeit mit Herkunftsländern intensivieren, gleichzeitig bekennt sie sich zur "moralischen Pflicht" der Seenotrettung.
Genau diese diskutierten auch die EU-Innenminister vergangene Woche in Helsinki. Anders als in der Rede der EU-Kommissionspräsidentin wurden dabei auch konkrete Maßnahmen auf den Tisch gelegt, darunter der Vorschlag Deutschlands und Frankreichs, gerettete Bootsflüchtlinge in den nächsten sicheren Hafen zu bringen und sodann auf bereitwillige EU-Länder zu verteilen. Doch nur eine Handvoll Mitgliedstaaten unterstützt diese Initiative, die Mehrheit steht ihr ablehnend gegenüber. Hartnäckig hält sich die Mär, Rettungsmissionen würden als Pull-Faktor wirken und "nur die Schlepper in ihren Geschäftsmodellen schützen", wie es zuletzt Österreichs Außenminister Alexander Schallenberg formulierte - eine These, für die es keinen wissenschaftlichen Beleg gibt.
Der Europäischen Union wird ein dauerhaftes Ende des fast täglichen Dramas im Mittelmeer nicht ohne Partner gelingen, und diese sind nur in Afrika finden. Erklären sich Länder wie Niger bereit, Bootsflüchtlinge temporär aufzunehmen und Asylverfahren rasch vor Ort abzuwickeln, könnten Schutzberechtigte legal und sicher in die EU einreisen und auf aufnahmewillige Länder verteilt werden. All jene, die keinen Asylanspruch haben, müssen in ihre Heimatländer rückgeführt werden. Ihre Erzählungen über die menschenunwürdigen Bedingungen in Libyen konterkarieren nämlich jeglichen Anreiz, der durch Rettungsmissionen angeblich geschaffen wird.
Diese Kooperation auf rechtlicher Ebene muss Hand in Hand gehen mit ernst gemeinter wirtschaftlicher Zusammenarbeit, temporären Einreisemöglichkeiten zu Arbeits- und Bildungszwecken und der Einbindung der afrikanischen Zivilbevölkerung. Denn die einseitige Reduktion von Migrationsströmen kann destabilisierend auf regionale Wirtschaft und Sicherheit in Transitländern wirken. Um Arbeitslosigkeit, Kriminalität und Re-Migration abzufedern, bedarf es nachhaltiger Projekte, die alternative Lebensgrundlagen für die ehemaligen Profiteure der Migrationsindustrie schaffen.
Die Idee der humanitären Korridore findet sich auch in von der Leyens Leitlinien. Abgerundet wurden sie von der persönlichen Geschichte eines 19-jährigen Flüchtlings, den ihre Familie zuhause aufgenommen habe und der nun fließend Deutsch spreche und sein Abitur mache. Er sei, so von der Leyen, eine Inspiration für uns alle - aber, auch das betonte die ehemalige Verteidigungsministerin, er wünsche sich eine Rückkehr ins Heimatland, für dessen Stabilität auch Europa verantwortlich zeichne.