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Die Minderheit braucht Kontrollrechte, Wahl- und Abwahl brauchen Mehrheit

Von Brigitte Pechar

Analysen

"Österreich ist eine demokratische Republik. Ihr Recht geht vom Volk aus." - So steht es im Artikel 1 des Bundesverfassungsgesetzes. Seinen Willen bekundet das Volk in Wahlen. Dieses Wahlergebnis spiegelt sich in der Zusammensetzung des Nationalrats wider, dessen Mehrheit die Regierung bildet.


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Nun ist es so, dass zwar die Mehrheit nicht immer recht hat, aber Minderheiten im österreichischen Parlament bisher wenig Rechte haben.

Alle fünf Parteien im Nationalrat sind darin einig, der Minderheit nun zu ihren Rechten zu verhelfen. Allerdings bezieht sich das lediglich auf die Stärkung von deren Kontrollfunktion. Die gesetzgebende Gewalt muss selbstverständlich in der Hand der Mehrheit bleiben.

Die Opposition soll künftig in die Lage versetzt werden, heiße Eisen auch gegen den Willen der Regierungsmehrheit anzupacken. Als Mittel dazu dienen Untersuchungsausschüsse. Diese wiederum sind derzeit Mehrheitsrecht - in Zukunft soll die Einsetzung von U-Ausschüssen ein Minderheitsrecht werden. Eine neue Geschäftsordnung soll das regeln.

In der Argumentation dafür muss Deutschland herhalten. Dort kann ein Viertel der Bundestagsabgeordneten einen U-Ausschuss beantragen, der von der Mehrheit beschlossen werden muss. Wird er nicht beschlossen, kann sich die Opposition an das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe wenden. Der Passus mit dem VfGH steht demnach als Rute im Fenster der Mehrheit. Dieselbe Vorgangsweise gilt für Verfahrensfragen - wie etwa die Frage, welche Zeugen geladen werden dürfen.

Wenn U-Ausschüsse künftig in Österreich von der Opposition beschlossen werden können, steht die Gefahr im Raum, dass das Parlament lahmgelegt wird. Schließlich stoßen Abgeordnete und Parlamentsmitarbeiter irgendwann an Kapazitätsgrenzen. Zu beobachten war das, als der Banken- und der Eurofighter-Untersuchungsausschuss gleichzeitig abgewickelt werden mussten: Von Oktober 2006 bis Juli 2007. Alleine die Kosten für Überstunden der Parlamentsmitarbeiter schlugen sich damals mit 440.000 Euro zu Buche. Damals wurde auch der Ruf nach einer Reform der U-Ausschüsse laut.

Die Frage, ob die Zahl der U-Ausschüsse begrenzt wird, ist noch nicht ausdiskutiert. In Deutschland gibt es dazu keine gesetzlichen Vorgaben, allerdings gibt es dort in der Praxis nie mehr als zwei - aus den bereits erwähnten Kapazitätsgrenzen. Diese werden wohl auch bei den Überlegungen in Österreich eine Rolle spielen.

Einen neuen Aspekt brachte am Mittwoch der grüne Budgetsprecher Werner Kogler in die Geschäftsordnungsdebatte. Seiner Meinung nach sollte es die Möglichkeit geben, Minister mit Zweidrittel-Mehrheit abzuwählen. Dem ist entgegenzuhalten, dass jede Wahl einer Mehrheit bedarf, auch eine Abwahl. Das ist die Basis der Demokratie.

Siehe auch:Streitschlichtung als Streitpunkt