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Die mit dem Kommando

Von WZ-Korrespondent Klaus Stimeder

Politik

Die erste TV-Debatte der US-Demokraten brachte wider Erwarten eine eindeutige Siegerin hervor: Hillary Clinton.


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Las Vegas. Wenn selbst der einstige parteiinterne Lieblingsfeind einräumt, dass man den Rest des Feldes an diesem Abend de facto pulverisiert hatte, dann ist das Rennen vielleicht wirklich jetzt schon gelaufen. Also sprach David Axelrod: "Sie war inhaltlich sicher, leidenschaftlich und hat klar das Kommando übernommen." Der Mann ist wahrlich nicht irgendwer, im historischen Wahljahr 2008 zeichnete er maßgeblich für die Kampagne von Barack Obama verantwortlich. Der war seinerzeit im Kampf um die Nominierung zum Präsidentschaftskandidaten der amerikanischen Demokraten als klarer Außenseiter gegen die damals klare Favoritin Hillary Clinton ins Rennen gegangen.

So richtig erholt hat sich das Verhältnis zwischen dem Spin Doctor Axelrod und der Politikerin Clinton seitdem nie wieder, aber der Zug zur Macht heilt alle Wunden, die Zeit ist quasi nichts dagegen. Sieben Jahre später findet sich Letztere wieder in der Pole Position um die Nominierung. Aber im Gegensatz zu damals, so viel scheint nach dem Schauspiel, das sich am Dienstagabend im Wynn Las Vegas Casino Hotel zu Nevada zutrug, sicher, wird es diesmal ungleich schwerer sein, sie aus nämlicher zu verdrängen.

Bengazi hin, E-Mail-Affäre her: Mit der Strategie, binnen rund zwei Stunden gezielt drei Kernschichten der Parteibasis anzusprechen - Frauen, Afroamerikaner und Latinos -, gelang es Clinton, auch jene vorwiegend jungen, fortschrittlich gesinnten Weißen einzulullen, die sich in den vergangenen Monaten massenweise für den einzigen ihrer Rivalen begeistert hatten, der ihr laut Umfragen gefährlich werden könnte. Nicht, dass Bernie Sanders, Senator aus Vermont und bekennender "demokratischer Sozialist", bei der Debatte untergegangen wäre; in der Redezeit kam er laut dem Ausrichter, dem Nachrichtensender CNN, mit 26 Minuten und 42 Sekunden reiner Redezeit gleich nach Clinton (30 Minuten, 26 Sekunden). Aber die Rollen waren so schnell so klar verteilt, dass es für den 74-Jährigen schwer werden dürfte, sein Momentum aufrechtzuerhalten.

Clinton setzt aufdie Frauen-Karte

Schuld daran unter anderem, vielleicht aber sogar vor allem: Clintons plötzlicher Wille, ihr potenziell größtes Plus, das sie beim letzten Mal trotz heftigstem Drängen ihrer Berater extrem heruntergespielt hatte, diesmal offensiv einzusetzen. Frage des Moderators Anderson Cooper: "Käme eine Clinton-Präsidentschaft nicht praktisch einer dritten Amtszeit von Barack Obama gleich?" Antwort Clinton: "Ich glaube, dass ich als weibliche Präsidentin im Vergleich zu allen anderen bisherigen Präsidenten - inklusive Barack Obama - eine deutliche Veränderung darstellen würde."

2008 hatte sie erst, als der Kampf um die Nominierung längst verloren war, die historische Dimension einer Frau im Weißen Haus betont, mit ihrer berühmten "18 Million Cracks"-Rede. Die Stimmen der 18 Millionen Menschen, die sie damals im Vorwahlkampf sammeln konnte, repräsentierten demnach "18 Millionen Risse in der gläsernen Decke", die das Amt des Präsidenten der USA den Männern vorbehält.

"I’m a Progressive who likes to get things done" - "Ich bin eine fortschrittliche Politikerin, die es mag, wenn sie Dinge zustande bringt": Eine simple Botschaft, die freilich im Kontext des Vorwahlkampfs eine besondere Note enthält, stellt sie doch eine Abgrenzung gegenüber ihren Mitbewerbern dar. Die seien zwar alle verdiente und bisweilen durchaus respektierte Politiker, aber wenn’s ans Eingemachte gehe, seien Erfahrung, Pragmatismus und Kompromissfähigkeit gefragt und nicht Dilettantentum, Prinzipienreiterei und linker Dogmatismus. Eine Breitseite, die allen voran Sanders galt, aber auch Martin O’Malley, dem ehemaligen Bürgermeister von Baltimore und Gouverneur von Maryland, der sich im Vorfeld der Debatte politisch ebenfalls weit links von Clinton positioniert hatte (etwa mit der Forderung, auch illegale Immigranten in die staatliche Gesundheitsvorsorge Obamacare einzubeziehen). Nachdem sich der Rest, die eher im rechten Spektrum der linksliberalen Partei verorteten Kandidaten - Jim Webb, ehemaliger Senator von Virgina, Ex-Marine und selbsternannter "Reagan Democrat", sowie Lincoln Chafee, ehemaliger Gouverneur von Rhode Island und Ex-Republikaner - als weder inhaltlich sattelfest noch besonders charismatisch gezeigt hatten, droht auch von dieser Flanke keine Gefahr für die Favoritin. (Webb konnte nicht mal seinen eigenen Lebenslauf erklären und wurde sichtlich nostalgisch, als er sich erinnerte, wie er im Vietnam-Krieg einmal einen feindlichen Soldaten getötet hatte; Chafee erklärte einen schweren politischen Fehler aus dem Jahr 1999 damit, dass kurz zuvor sein Vater gestorben und er deshalb nicht ganz bei Sinnen gewesen sei.) Aber noch ist nicht aller Tage Abend.

Nur Biden könnte Clinton ernsthaft gefährlich werden

Insgesamt finden heuer und im nächsten Jahr noch fünf weitere Debatten statt, die nächste schon am 14. November in Des Moines, Iowa, dem traditionell ersten Bundesstaat, der Vorwahlen abhält. Die letzte im Februar oder März in Milwaukee, Wisconsin (der genaue Termin steht noch nicht fest). Angesichts der Erkenntnisse von Dienstag gibt es praktisch nur mehr einen, der Hillary Clinton bis dahin ernsthaft gefährlich werden könnte: Vizepräsident Joe Biden, dessen jüngst auf tragische Weise verstorbener Sohn sich buchstäblich am Totenbett gewünscht hatte, dass sich sein Vater noch einmal ums höchste Amt im Staat bewirbt (Biden hat bereits zwei erfolglose Versuche hinter sich). Nach der Performance, die Clinton in Las Vegas abgab, wird es für Obamas Stellvertreter indes mit jedem Tag schwieriger werden, zu argumentieren, warum ihn die Partei mehr braucht als sie.