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"Wolf Science Center" erforscht Kommunikation zwischen Hund und Wolf. | Tiere werden nicht in freie Wildbahn entlassen. | Ernstbrunn/Wien. Schaurig hallt das tiefe, eindringliche Heulen der Wölfe aus den Wäldern der Leiser Berge im niederösterreichischen Ernstbrunn wider - hier ist seit Mai das "Wolf Science Center" (WSC) beheimatet, das im Vorjahr in Grünau in Oberösterreich gegründet worden ist.
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Im WSC geht ein dreiköpfiges Wissenschafter-Team der Frage nach, inwieweit Wölfe und Hunde miteinander kommunizieren können. Spezielles Augenmerk wird dabei auf jenes noch ungelöste Rätsel gerichtet, ob die zwei Unterarten der selben Art "Canis lupus" auch dieselbe, genetisch verankerte Sprache sprechen, oder ob die Domestikation des Hundes zu einem Unverständnis zwischen den beiden geführt hat.
Zu diesem Zweck zieht nun ein Rudel dreier einjähriger Wölfe, das aus dem Tierpark Herberstein stammt, im "Küchengarten" des Schlosses Ernstbrunn seine Kreise: Ein in vier Ebenen angelegter Renaissancegarten, der eigentlich ein Nachbau der "Hängenden Gärten der Semiramis" werden sollte. Dieser stellt allerdings nur eine Übergangslösung dar - im Herbst sollen die Wölfe in den nahe gelegenen Tierpark Ernstbrunn übersiedeln, in dem sie den Luxus zweier 8000 Quadratmeter großer Gehege genießen werden.
Das vierte Rudelmitglied - die von Geburt an blinde Tayanita - wird diesen Umzug nicht mehr miterleben, sie ist Anfang Juli gestorben. Seit kurzem tummeln sich jedoch in einem angrenzenden Gehege sechs Miniaturausgaben der langbeinigen, schwarzen Wächter des Waldes, die mit bernsteinfarbenen Augen ihre Umgebung aufmerksam beobachten.
Welpen aus Montana gekauft
"Drei Monate sind unsere Welpen jetzt alt, vier haben wir um je 560 Euro aus Montana in den USA gekauft, einer stammt aus dem Zoo Basel und einer aus Herberstein", erklärt die deutsche Zoologin Friederike Range, die gemeinsam mit Kurt Kotrschal, Leiter der Konrad-Lorenz-Forschungsstelle für Ethologie in Grünau, und der Wissenschafterin Zsofia Viranyi im WSC beschäftigt ist. Das Projekt wird vom "FWF"-Wissenschaftsfonds finanziert. Als Range die Kinderstube betritt, wird sie stürmisch begrüßt: Sechs hellbraune Fellbündel hopsen ihr tollpatschig entgegen, auch die größeren Wölfe heben zu einem dröhnenden Geheul an. "Sie rufen mich", sagt die 37-Jährige, während sie die Welpen-Dame "Tatonga" behutsam in die Arme nimmt.
Range wird vermutlich deshalb von den Wölfen wie ihresgleichen behandelt, weil sie diese im Zuge des Projektes mit der Flasche aufzieht und sogar die Nächte im Gehege verbringt - wobei es sich die Welpen laut Range mitunter auf ihr gemütlich machen und an der Nasenspitze nuckeln. "Wir sind 24 Stunden lang bei ihnen, erst im September werden die Kleinen zu den großen Wölfen kommen", erklärt die Zoologin.
Gleichzeitig soll eine Gruppe mehrerer Husky-Welpen in Ernstbrunn einziehen, die unter den gleichen Bedingungen wie die Wölfe herangezogen werden - das Rudel soll als Kontrollgruppe fungieren, um Verhaltenweisen vergleichen zu können. Derzeit sind einzelne Hunde unterschiedlicher Rassen im Einsatz, "die die Kommandos der Menschen an die Wölfe weitergeben", präzisiert Range. Dabei würden etwa Handzeichen der Forscher vom Hund in dessen Sprache übersetzt - die hauptsächlich über verschiedene Augenstellungen den Artgenossen vermittelt werde.
"Voraussetzung für unsere Arbeit ist jedoch das Vertrauen zwischen Hunden und Wölfen", sagt Range - im Gehege tollt gerade ein Wolfsjunges ausgelassen mit einer Mischlings-Hündin umher, die es mitunter spielerisch ins Ohr beißt. Der Wolf wird nie einem Rudel in freier Wildbahn angehören. Die Tiere dienen laut Zoologin lediglich der Forschung, "außerdem sind die Welpen amerikanische Timberwölfe, die haben hier nichts verloren." Das Projekt solle zwar dem Image der Wölfe seinen Schrecken nehmen - aber "ein Wolf bleibt ein Wildtier", gesteht sich Range ein, "ich hab ihn deshalb immer im Auge."
Wolf durchstreift Österreich
In Österreichs Wäldern braucht man die dämmerungsaktiven, laut Range eher scheuen Tiere jedenfalls nicht zu fürchten: Ein einziger Wolf hält sich derzeit hier auf, er streift laut dem Wolfsbeauftragten Heinrich Dungler zwischen Kärnten, Salzburg und der Steiermark umher. "Gekommen ist der Rüde aus Slowenien", weiß Dungler, der einen illegalen Abschuss des Tieres fürchtet.
"Die Jägerschaft ist den Wölfen gegenüber nicht grundsätzlich negativ eingestellt", stellt Alois Gansterer vom niederösterreichischen Landesjagdverband klar. Außerdem seien die Tiere vom Gesetz her ganzjährig geschützt. Allerdings sieht er bei steigender Individuenzahl ein Problem für die Weidewirtschaft - Lämmer und Hühner stehen auf dem Speiseplan des Wolfes. "Es wird schon seinen Grund haben, warum er ausgerottet wurde", gibt Gansterer zu bedenken. Dass das Wild aufgrund des Geheules in Ernstbrunn das Revier wechselt, glaubt er nicht. "Erst wenn Wölfe durchziehen, lernt das Wild wieder, auf die Gefahr zu reagieren."