Die bei den Schweizer Parlamentswahlen siegreiche SVP hat einen Generationenwechsel vollzogen. Auf die Polterer folgen die Macher.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 9 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Bern. So stark ist noch nie eine Partei in der Schweiz gewesen, seit 1919 das Verhältniswahlrecht eingeführt worden ist: Die Schweizerische Volkspartei (SVP) erzielte am Sonntag 29,5 Prozent und übertrifft damit ihren eigenen bisherigen Rekord von 2007, als sie auf 29,0 Prozent kam. Damit kann sie 65 Mitglieder in den 200-köpfigen Nationalrat entsenden. Vor acht Jahren waren es drei weniger gewesen.
Hinter dem Wahlerfolg steckt auch eine weniger augenscheinliche Entwicklung: Die Rechtspopulisten haben in aller Stille einen Generationenwechsel vollzogen. Vorbei die Zeit der Polterer, die von einem Wirtshaus zum nächsten Viehmarkt gezogen sind und gegen die ausländischen "Kriminaltouristen" gewettert haben. Die heutigen SVP-Vertreter sind distinguierte, erfolgreiche Geschäftsleute. Zum Beispiel Magdalena Martullo-Blocher. Die Tochter von Christoph Blocher, dem Übervater der Rechtspopulisten, führt dessen Unternehmen EMS-Chemie und hat sich nun auch in den Nationalrat wählen lassen. Die 46-Jährige lebt zwar in Zürich, ihre Firma sitzt aber Graubünden. Dort ist sie angetreten und hat prompt einen Sitz gewonnen. "Ich bin die größte Unternehmerin im Kanton", erklärt sie ihren Erfolg. Ihrem Geld will sie das nicht verdankt haben. "Der Wahlkampf war nicht teuer", sagte sie dem Schweizer Fernsehen. Ein paar Plakate und dann eben viele Auftritte bei den Menschen.
Zum Beispiel Roger Köppel. Der einstige Chefredakteur der "Welt" in Berlin hatte 2006 die einst linksliberale "Weltwoche" übernommen und daraus das intellektuelle Kampfblatt der Rechtspopulisten gemacht. Pünktlich zu den jetzigen Wahlen trat er der SVP bei und als Kandidat an. Sehr zum Unwillen der Parteibasis. Diese versorgte ihn auf einem der hinteren Plätze. Doch mit 178.000 Stimmen war der 50-Jährige so erfolgreich wie kein anderer Kandidat im Land.
Zum Beispiel David Zuberbühler. Der Geschäftsführer im Schuhgeschäft seines Vaters ist das Urbild des Schweizer Gewerblers, arbeitsam, gemütlich, in den Vereinen im Ort aktiv, mit Frau, Kindern und einem Hund. Nun hat "dä Zubi", wie er sich nennen lässt, den rechtsliberalen Freisinnigen den Nationalratssitz in Appenzell-Ausserrhoden weggenommen. Mit Jahrgang 1979 wird er in der großen Kammer zu den jüngsten Mitgliedern gehören.
Blocher schwimmt
Ohne Zweifel ist die SVP also in der gutbürgerlichen Mitte des Landes angekommen - und so will sie auch wahrgenommen werden. Vorbei die Zeiten, in denen Messerstecher auf Plakaten in Schwarz-Weiß marschieren oder die Schweizer als dumme Schafe dargestellt werden, die sich von den Ausländern ausnehmen lassen. Nun platzierte die SVP lustige Videos, in denen schöne Lieder gesungen werden mit gehaltvollen Zeilen wie: "Wo ein Willy ist, da ist ein Weg" - Willy ist ein Hund.
Per Video wurde auch mitgeteilt, was mit der Generation der Polterer geschehen soll: Christoph Blocher schneidet darin seinen Rasen und schwimmt in seinem Pool - so wie es jeder gutbetuchte Großvater gerne täte. Der Übervater war im Wahlkampf denn auch vor allem als Mäzen präsent. Im Museum Oskar Reinhart in Winterthur lässt er Werke von Ferdinand Hodler, Albert Anker und Giovanni Giacometti aus seiner Sammlung zeigen. Die Botschaft ist klar: Die SVP will künftig auch als intellektuelle Mitte des Landes wahrgenommen werden. Gelingt ihr das, könnte der Wahlsieg vom Sonntag erst der Anfang sein.