US-Politologe im Gespräch mit der "Wiener Zeitung". | "Wiener Zeitung": Wie sehr läuft Barack Obama Gefahr, zu einer politischen "lahmen Ente" zu werden?
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Ronald J. Hrebenar: Wenn man noch drei Jahre Amtszeit vor sich hat, über 59 Sitze im Senat verfügt und das Repräsentantenhaus kontrolliert, ist man keine lahme Ente. Derzeit haben die Demokraten die besseren Karten.
Aber die Wahl in Massachusetts war doch ein herber Rückschlag?
Die Wahl in Massachusetts war ein Weckruf für die demokratische Partei. Bisher hat jeder ihrer Abgeordneten im Kongress sein eigenes Ding gemacht. Aber jetzt wird es ernst. Nachdem die Republikanische Partei vor einem Jahr noch so gut wie tot war, hat sie ein starkes Lebenszeichen von sich gegeben. Es ist die goldene Gelegenheit für die Demokraten, ein Team zu bilden, statt zwei- bis dreihundert Leute im Kongress zu haben, die - wie bisher - ziellos umherirren.
Wird es angesichts der Geschlossenheit der Republikaner nicht besonders schwer für die Demokraten, künftig Gesetze durchzubringen?
Richtig. Daher müssen die Demokraten künftig ihre Positionen klar zeigen und der amerikanischen Öffentlichkeit erklären, warum die Republikaner all ihre Vorhaben zu Fall bringen. Diese Regierung hat es im Gegensatz zu Obama im Wahlkampf bisher nicht verstanden, eine klare politische Nachricht zu vermitteln. Wenn die Demokraten das nicht schaffen, werden sie bei den Wahlen im November abgestraft werden.
Für den republikanischen Sieg in Massachusetts war zu einem großen Teil auch die Unzufriedenheit der Bürger mit der Gesundheitsreform verantwortlich. Woher rührt diese Einstellung?
Grundlegend ist: Zwei Drittel der Amerikaner haben eine gute Gesundheitsvorsorge. Leute, die für staatliche Einrichtungen, für Firmen, Universitäten etc. arbeiten, haben eine wirklich gute Gesundheitsvorsorge. Die Schwierigkeit für die Demokraten besteht darin, diese zwei Drittel zu überzeugen. Massachusetts ist der einzige Staat, der wirklich eine allgemeine Gesundheitsvorsorge hat. Wie sollte man also diese Wähler davon überzeugen, dass es nötig ist, auf Bundesebene eine Gesundheitsvorsorge zu schaffen, die sie bereits haben?
Und wie sieht es generell in den USA aus?
Quer durch Amerika gibt es vor allem in der Mittelschicht Zweifel und Angst: Die Menschen fürchten: "Die Reform wird mich Geld kosten" oder "Die Reform wird ändern, was ich schon habe". All das sind Argumente der Republikaner. Manche davon stimmen, manche nicht. Genau dies sind aber die Ängste, auf die die Republikaner setzen, um sich zu stärken und mit denen sie die Nachricht nach Washington schicken: "Wir sind nicht sicher, ob das, was ihr macht, in unserem Interesse ist."
Zur PersonRonald J. Hrebenar ist Professor an der Universität Utah und war dort langjähriger Vorstand des Instituts für Politikwissenschaften.
Siehe auch:Ohrfeige für Obama zum Jahrestag
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