Das Lenkgrad fest im Griff: Egal ob in die Arbeit, in den Urlaub, in den Supermarkt. Dabei müssten wir Umdenken.
Wie weit Anspruch und Wirklichkeit bei der Klimawende auseinanderklaffen, zeigt sich deutlich an der geplanten Rettung der AUA-Mutter Lufthansa. Nicht nur, dass der deutsche Staat neun Milliarden Euro in ein umweltschädliches Verkehrsmittel investieren will, muss er sich von Lufthansa-Hauptaktionär Heinz Hermann Thiele auch noch am Nasenring durch die Manege ziehen lassen. Denn statt Dank für die großzügige Unterstützung wehrt sich Thiele gegen eine Staatsbeteiligung. Der 79-Jährige hält 15,52 Prozent und könnte mit einem Nein sogar den Plan auf der außerordentlichen Hauptversammlung am Donnerstag zu Fall bringen.
Selten wurde die Schwäche eines Staates - in diesem Fall das wirtschaftsstärkste Land der EU - so offengelegt. Dabei wären starke Staaten gerade jetzt notwendig, um strukturelle Änderungen für eine Klimawende umzusetzen. Änderungen, die vor allem die Mobilität betreffen sollten. Während Energie, Industrie, Wohngebäude und Landwirtschaft seit 1990 immer weniger Emissionen ausstoßen, steigen sie im Verkehr weiterhin an. Knapp 30 Prozent der gesamten CO2-Emissionen der EU stammen aus diesem Bereich. 72 Prozent davon entfallen auf den Straßenverkehr.
"Wir haben drei Jahrzehnte verschlafen, was den Wandel im Verkehr betrifft", erklärt Harald Frey, Verkehrswissenschafter an der Technischen Universität in Wien. "Wir sind noch immer abhängig vom fossilen Verkehrssystem." Statt etwas zu ändern, würde der Staat hingegen Fluglinien retten und zu wenig auf die Schiene setzen. In Österreich sollten alle nationalen Flugverbindungen eingestellt werden, fordert Frey. Auch der Ausbau von Schnellstraßen und Autobahnen sollte gestoppt werden. "Die Gelder müssen umgelenkt werden in die Öffis und den Radverkehr. Da gibt es vor allem im ländlichen Raum große Potenziale."
Frey ist seit 15 Jahren in der Verkehrswissenschaft tätig. "Es ist müßig über Maßnahmen zu sprechen, sie liegen ja auf dem Tisch", sagt er. "Es geht vielmehr um den Prozess, der in Gang gebracht werden muss."
Jens Dangschat, Professor für Siedlungssoziologie, sieht das Problem in einer Wertehierarchie, die stark hinterfragt werden muss. "Unser Selbstbewusstsein baut auf einer Struktur auf, in der das Auto im Mittelpunkt steht", sagt Dangschat. "Wir haben uns festgelegt: Nach dem Wohnen, ist das Auto die wichtigste Investition." Man fährt mit dem Auto zum Supermarkt, obwohl man auch mit dem Rad fahren könnte, man träumt vom abseitsgelegenen Einfamilienhaus im Grünen, das nur mit dem Auto erreicht werden kann.
Das Ergebnis: Der Verkehr ist der einzige Bereich, bei dem der Ausstoß der Treibhausgase gestiegen ist. Trotz aller Technologie und besseren Abgasfiltern. "Die Nachfrage nach größeren Autos, vor allem SUV steigt und die Menschen fahren mehr und länger", erklärt Dangschat. "Das Auto ist tief in unserem Alltagsverständnis verankert. Die Mobilitätswende muss daher in unseren Köpfen stattfinden."
E-Autos sind kein Allheilmittel
Mit Strom betriebene Fahrzeuge sieht er allenfalls als Brückentechnologie, schließlich sei die Erzeugung umweltschädlich. Auch die als Allheilmittel beworbenen Selbstfahrenden Autos - weniger Stau, keine Parkplatzsuche - würden nicht für eine grüne Mobilitätswende taugen. Es gebe damit nur mehr Verkehr durch Jüngere ohne Führerschein bis hin zu Älteren, die dann auch fahren würden. Außerdem fördern Selbstfahrende Autos die Zersiedelung, weil dann egal ist, wie lange man fährt, da man nicht mehr selbst lenken muss und daneben andere Dinge tun kann.
Astrid Gühnemann, Professorin für Verkehrswesen und nachhaltige Entwicklung an der Wiener Universität für Bodenkultur (Boku) weist darauf hin, dass in Österreich täglich Flächen in der Größe von zwei Fußballfeldern versiegelt werden. Vor allem für Einfamilienhäuser.
Eine Mobilitätswende sei daher nur gemeinsam mit einer Wohnungswende möglich, sagt Gühnemann. "Das wird nicht von heute auf morgen funktionieren, aber wir müssen jetzt damit anfangen."
In der deutschen Regierung überlegt man einstweilen, wie ein Scheitern des Lufthansa-Rettungspakets abgewendet werden könnte. Nach Reuters-Informationen aus Verhandlungskreisen ist ein Plan B angedacht. Dieser sieht vor, in zwei Schritten zu einem Anteil von 20 Prozent an der Lufthansa zu kommen, ohne dass eine Hauptversammlung notwendig wäre.
Ob sich Regierungen zu solch kreativen Ansätzen auch durchringen können, wenn es um die Klimawende geht, bleibt abzuwarten. Sie wären jedenfalls dringend notwendig.