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Die Monotonie der eingesperrten Mars-Menschen

Von WZ-Korrespondent Christian Weisflog

Wissen

Moskau: 105-tägige Simulation eines Mars-Fluges zu Ende. | Die menschliche Psyche machte die größten Probleme. | Moskau. Es schien beinahe eine echte Mars-Rückkehr: Durch eine massive Metalltür stiegen die sechs "Astronauten" in blauen Overalls aus ihrem Raumschiff-Nachbau im Moskauer Institut für biologische Probleme. Gezeichnet von den Strapazen, aber mit geschwellter Brust und einem breiten Lachen im Gesicht winkten sie im medialen Blitzlichtgewitter der versammelten Menge zu.


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"Es war eine große Herausforderung, aber ich bereue keine Sekunde", sagte der deutsche Mars-Flieger Oliver Knickel. Er und seine Kollegen durften sich in diesem Moment ein bisschen wie Neil Armstrong bei seinem Mondbesuch vor 40 Jahren fühlen. Sie haben einen kleinen, aber beschwerlichen Schritt für die Verwirklichung eines großen Traums vollbracht: eines bemannten Marsfluges.

Bis zu seiner Realisierung, ist es jedoch noch ein weiter Weg. Das machte auch das 105-tägige Experiment im Rahmen des Projekts "Mars500" deutlich. Mit der gemeinsamen Versuchsreihe wollen die russische und europäische Raumfahrtagentur die menschliche Belastbarkeit testen. Denn: "Das größte Problem für einen bemannten Marsflug ist nicht die Technik, sondern die menschliche Psyche", sagt Elena Feichtinger, stellvertretende Projektleiterin von "Mars500".

Dem stimmt auch der französische Teilnehmer Cyrille Fournier zu: "Du musst in jeder Hinsicht überzeugt sein, dass die Zeit in der Isolation wertvoller ist als das Leben, das du außerhalb haben könntest", schrieb der Air France-Pilot in seinem Internet-Tagebuch. Die beschwerlichen Rahmenbedingungen sind jedoch nur ein Teil des Problems. "Es ist sehr schwer, ein harmonisches Team zu bilden, weil alle Astronauten von Natur aus sehr starke Persönlichkeiten sind", erklärt Feichtinger. Dies wurde nun aber offenbar gut gelöst: "Wir waren nicht nur eine Crew, sondern auch sechs Freunde. Nur deshalb ist das Experiment überhaupt gelungen", betont Knickel, der am Dienstagnachmittag "gelandet" war und am Mittwoch erstmals ausführlicher über die vergangen 105 Tage berichtete.

Sorgenkind Speiseplan

Über drei Monate lang lebten die Probanden auf engstem Raum und ohne Sonnenlicht in einem modellierten Raumschiff bestehend aus fünf rohrförmigen Metallkapseln. Das größte Problem sei dabei die Monotonie des Alltags gewesen, meint Knickel, ein 29-jähriger Hauptmann der deutschen Bundeswehr.

Jeder Tag an Bord sah praktisch gleich aus: Zwischen drei Mahlzeiten führten die Astronauten wissenschaftliche Experimente durch. Sie sollten vor allem zeigen, wie sich das Leben in Isolation auf die Gesundheit auswirkt. Selbst die Ernährung erfolgte nach einem strengen Diätplan. "Es ist ein großer Stress, wenn man nicht das essen kann, worauf man gerade Lust hat", erzählt Knickel. Manche Teilnehmer verloren durch die Tiefkühlkost sogar bis zu 12 Kilogramm.

Auch wenn es nur ein Experiment war, es zeigte bereits, welche Gefahren auf die echten Marsflieger warten. Einmal etwa fiel ein Belüftungssystem aus, ein anderes Mal ging ein Fitnessgerät kaputt. Je weiter sich das Raumschiff von der Erde entfernt, desto mehr wird die Crew Probleme alleine lösen müssen. Denn ein Funksignal vom Mars zur Erde wird erst mit zirka 20 Minuten Verzögerung eintreffen. Das alles ist jedoch nur ein kleiner Vorgeschmack auf das nächste Mars-Experiment 2010. Dieses soll 520 Tage dauern, so lange wie ein echter Flug zum Roten Planeten.