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Die Monotonie eines Sonntags

Von Francesco Campagner

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Es beginnt meist ganz harmlos. Man schaltet hoffnungsfroh das Fernsehgerät ein - und schon ist sie da, die hoffnungslose Monotonie eines Sonntags. Sie überfällt den Zuseher mit geradezu übermenschlicher Kraft und zieht ihn mit gewaltigem Sog in die Tiefen eines Sportnachmittags hinab. Aus dem frischesten Menschen wird ein müde Dahindösender, der stundenlang zusieht, wie Formel-1-Boliden im Kreis fahren. Doch wer jemals Radsport live im Fernsehen erlebt hat, weiß, dass die Zweiräder der vierrädrigen Konkurrenz in puncto Monotonie noch eindeutig überlegen sind.

Der ORF ist nicht immer dieser Meinung, hat sich aber am Sonntag erbarmt und die Königsetappe der Tour de France nach L'Alpe d'Huez übertragen. US-Star Lance Armstrong, Deutschlands "gefallener Engel" Jan Ullrich und die österreichischen Bergspezialisten Georg Totschnig, Peter Luttenberger und Gerrit Glomser sollten für ein Spektakel sorgen, das dieser traditionsreichen Alpenetappe würdig ist. Und sie taten es. Das Rennen verlief alles andere als monoton. Doch an einem Sonntagnachmittag im Juli begeht man ein solches Sakrileg nicht ungestraft. Die ORF-Kommentatoren Jirka und Wechselberger waren sich dessen bewusst und schafften das Unmögliche: Mit lexikalen Einschüben, bemühten Erklärungen und der Kraft der Wiederholung erweckten sie die Langeweile zu neuem Leben. Wer noch Kraft hatte, zappte zur ARD. Wer zu schwach war, weiß mittlerweile auch im Schlaf, wie das mit roten Punkten auf weißem Hintergrund gemusterte Bergtrikot aussieht.