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Die moralische Vielschichtigkeit der Jagd

Von David Ignatius

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Ein neuer Film über die schonungslose Verfolgung des Al-Kaida-Führers Osama bin Laden sorgt für Kontroversen und zeigt die Unsicherheit der USA.


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Mark Boal, der Drehbuchautor des neuen Films "Zero Dark Thirty", wollte eine Geschichte erzählen über die moralische Vielschichtigkeit der Jagd, Al-Kaida-Führer Osama bin Laden zu töten. Die Diskussion, die jetzt schon um den Streifen aufbraust, zeigt, dass er und Regisseurin Kathryn Bigelow damit Erfolg haben, und noch viel mehr.

Der Film erzählt die Geschichte der schonungslosen Verfolgung Bin Ladens, gesehen durch eine Figur namens Maya, die auf eine wirkliche CIA-Mitarbeiterin zurückgeht. Mayas Spürnase brachte sie auf den Verbindungsmann Abu Ahmed al-Kuwaiti, der die Verfolger schließlich zu Bin Laden führte.

Es ist jedoch ein verhaltener Sieg. In der beklemmenden Schlussszene sieht man Maya in einem Transportflugzeug am Stützpunkt Bagram, nachdem sie Bin Ladens Leiche identifiziert hat. Jemand von der Besatzung fragt sie, wohin sie wolle. Sie weiß nicht, was sie sagen soll, und hier wird die Unsicherheit der USA sichtbar: Was haben wir durch die Tötung Bin Ladens erreicht? Um welchen Preis? Und was kommt als Nächstes?

Die Diskussion über den Film zentriert sich um die Rolle, die Folter bei der Lokalisierung Al-Kuwaitis und dann Bin Ladens spielte. Der Film deutet an, dass es Maya ohne "erweiterte Verhörmethoden" (den Orwell’schen Euphemismus) womöglich nicht geschafft hätte. Er befürwortet Folter nicht, was sich in abschreckend glaubhaften Details ausdrückt. Er zeigt aber, wie aus Folter abgeleitetes Wissen zu Bin Ladens Versteck führte. Hätte Maya dort auch anders hinkommen können? Der Film stellt darüber keine Vermutungen an.

Einige Kritiker behaupten, er habe unrecht, erstens, weil Folter ein untaugliches Hilfsmittel sei und zweitens Bin Laden auch anders hätte gefunden werden können. Aber ich fürchte, dieses Argument weicht das moralische Dilemma auf. Ich habe Geheimdienstmitarbeiter gebeten, einige Details zu erläutern, und sie reagierten mit Informationen, die den Zuschauern helfen sollen, "Zero Dark Thirty" (der Film kommt am 19. Dezember in die US-Kinos) richtig einzuschätzen.

Leon Panetta, der damalige CIA-Chef, schrieb eine Woche nach der Tötung Bin Ladens in einem Brief an den US-Senator John McCain, der selbst ein Opfer der Folter ist und einer von Panettas Hauptkritikern, dass nicht mit Sicherheit festgestellt werden könne, ob "erweiterte Verhörmethoden" der einzige Weg seien, an Informationen zu gelangen. Auch ohne aus Folter gewonnenen Erkenntnissen "hätten wir uns auf Al-Kuwaiti konzentriert wie ein Laser", betont ein Geheimdienstmitarbeiter.

Geheimdienstler sagen auch, der tatsächliche Durchbruch bestand darin, den richtigen Namen herauszufinden, was in Kuwait mittels "althergebrachter Spionagearbeit" gelang - vermutlich eine Anspielung auf die Rekrutierung einer Quelle mit Zugang zum Al-Kaida-Netzwerk. Dazu schweigt die CIA.

Hier ist das Fazit, zumindest für mich: Wir sollten uns gegen Folter wenden, weil sie falsch ist, nicht weil sie nicht funktioniert.

Übersetzung: Redaktion

Siehe auch:Originalfassung "The moral choices on interrogations"