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Eine renommierte Kulturinstitution des Landes macht sich anlässlich eines Jubiläums daran, ihre Geschichte während des NS-Regimes aufzuarbeiten. Ein löbliches Unterfangen des Künstlerhauses. Ein absolut notwendiger Schritt, um mit seiner Geschichte ins Reine zu kommen. Gerade in Österreich, gerade in Wien. Aber, so stellt man sich die Frage, warum mussten dafür mehr als 66 Jahre vergehen? Bis sich ein rundes Jubiläum ergibt oder ein Direktor den Mut hat, die Vergangenheit zu untersuchen.
Ist es tatsächlich so, dass sich bis dato eine Mehrzahl der heimischen Institutionen davor scheut, ihre Vergangenheit gründlich aufzuarbeiten, weil noch bis vor einigen Jahren opportunistische Mitträger und Mitläufer des NS-Regimes entweder Ehrenmitglieder waren oder überhaupt noch Funktionen innehatten? Müssen die Nachkommen oder Erben von Menschen, die unter den Nazis verfolgt wurden, und eine interessierte aufgeschlossene Öffentlichkeit wirklich so lange warten, bis der letzte NS-Sympathisant verstorben ist, bevor diese Institutionen ihre Archive für Recherchen öffnen und allgemein zugänglich machen?
Es wird immer wieder zu einer Farce, wenn etwa Restitutionsansprüche an Museen gestellt werden. Mit der anscheinend sehr österreichischen Beweglichkeit versuchen sich die meisten Direktoren um diese Thematik pseudo-argumentativ herumzulavieren; werfen mediale Nebelgranaten und versuchen es so lange wie möglich - auch ein klassischer Satz der heimischen Nachkriegspolitik - in die Länge zu ziehen. Hier kommt wieder der Faktor Zeit ins Spiel: Hätten der Staat Österreich und seine kulturellen Institutionen schon nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs die Courage gehabt, proaktiv ihre Verantwortlichkeit an den begangenen Verbrechen aufzuarbeiten, müsste dieser perfide Kampf "wer lebt länger" nicht geführt werden. Dann könnten die oft hinterfotzigen Fragen nach der Beweisbarkeit einzelner Fälle, mehr als 60 Jahre danach, nicht gestellt werden. Dann hätten Museen und andere Kulturinstitutionen ein klares, wissenschaftlich aufgearbeitetes Geschichtsbild und müssten nun nicht wie Diebe bangen, dass man ihnen doch noch wegen unaufgearbeiteter NS-Komplizenschaften auf die Schliche kommt.
Deswegen ist zu hoffen, dass die Initiative des Künstlerhauses Schule macht und andere Institutionen folgen werden. Es kann im Jahr 2011 nicht sein, dass nur das Künstlerhaus und der Fußballklub Rapid Wien als gelungene Beispiele geschichtlicher Aufarbeitung genannt werden können.