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Die nächste Katastrophe kommt

Von Ronald Schönhuber

Analysen

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Als im Frühsommer 2011 die Hungerkrise am Horn von Afrika in die Schlagzeilen drängte, war die Weltöffentlichkeit überrascht. Wie konnte sich eine derart weitreichende Katastrophe mit mehr als zwölf Millionen Betroffenen so rasch entwickeln, ohne dass jemand im Vorfeld davon Notiz genommen hatte? 25 Jahre nach der großen Hungersnot in Äthiopien schien die Welt also immer noch nichts dazugelernt zu haben.

Die Katastrophe im Dreiländereck zwischen Somalia, Kenia und Äthiopien war allerdings keine Katastrophe, die aus dem Nichts kam. Bereits im August 2010, also ein Jahr zuvor, hatte das hauptsächlich von den USA finanzierte Famine Early Warnings System Network (Fews Net) auf eine drohende Nahrungsmittelknappheit hingewiesen, die sich durch die überaus angespannte Lage im bürgerkriegsgeplagten Somalia noch verschärfen könnte. Kurz zuvor hatten Meteorologen schon eine besonders starke Ausprägung des Wetterphänomens "La Niña" festgestellt, das im Regelfall für sehr ausgeprägte Trockenperioden in der Region sorgt.

Wer Ostafrika im Jahr 2012 als Katastrophenschauplatz beerben wird, steht bereits ziemlich sicher fest. Laut den Daten von Fews Net wird es in der Sahelzone nach unregelmäßigen Niederschlägen und Ernteausfällen zu teils massiven Nahrungsmittelengpässen kommen. In Mali dürften die Getreidepreise in der Folge um 30 bis 40 Prozent über den Fünf-Jahres-Schnitt steigen. Auch im Niger, wo jetzt schon eine Million Menschen durch das World Food Programm unterstützt werden, rechnet man mit deutlichen Preissprüngen. Ebenfalls mit Hunger dürften 2012 Guatemala, der Sudan und der Jemen kämpfen.

Dieses Wissen wird aller Voraussicht nach aber wenig ändern. Ähnlich wie bei der Hungerkrise am Horn von Afrika wird das Geld erst fließen, wenn aus der schleichende Katstrophe eine nicht mehr zu leugnende geworden ist. Auf die bloße Warnung hin, dass ohne baldiges Handeln eine Katastrophe droht, öffnen weder öffentliche Geber noch Privatpersonen im großen Stil ihre Geldbörsen. Und schon gar nicht, wenn die Finanz- und Staatsschuldenkrise so übermächtig erscheint wie im abgelaufenen Jahr. Bis sich diese verquere Logik der Katastrophenbekämpfung ändert, wird wohl nicht nur das Jahr 2012 vergehen müssen.

Doch erste Anzeichen für einen Lerneffekt nach der Krise am Horn von Afrika gibt es bereits. Mussten sich viele Hilfsorganisationen damals von Entwicklungshilfeexperten ein zu langes Zögern und einen Mangel an langfristigen Maßnahmen vorwerfen lassen, wird nun mit Blick auf die Zukunft gehandelt. Jetzt muss nur noch irgendjemand die Spendenaufrufe für die Sahelzone hören.