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Niedermeyer, Baumax, Schlecker, Kika/Leiner, nun Forstinger: Auch Größe schützt Ketten nicht vor finanziellen Nöten.
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Wien. Es ist schon wieder passiert. Eine größere Handelskette musste Insolvenz anmelden, 800 Arbeitsplätze sind dadurch gefährdet. Im besten Fall werden die meisten Beschäftigten ihre Jobs behalten können, sicher ist das freilich nicht. Zumal: wie lange? Es ist nicht in die erste Pleite von Forstinger, sondern bereits die zweite, die ehemalige Muttergesellschaft von Forstinger ist auch in Konkurs gegangen.
Erst seit wenigen Tagen ist klar, dass auch Leiner/Kika restrukturiert werden muss. Vor fünf Jahren war der Möbel-Filialist aus St. Pölten an die südafrikanische Steinhoff-Gruppe veräußert worden, zumindest einige Standorte könnten geschlossen werden.
Meldungen wie diese scheinen im Einzelhandel an Häufigkeit zuzunehmen. Baumax, Niedermeyer, Holland Blumen Markt, Schlecker: Allesamt Filialunternehmen, die in den vergangenen Jahren liquidiert werden mussten, die teilweise davor schon finanziell turbulente Episoden durchschritten hatten oder, im Fall von Schlecker, eine danach erlebt haben.
Dass Geschäfte schließen müssen, ist im Handel nicht ungewöhnlich, es betrifft jedes Jahr rund acht Prozent. Aber es sperren auch wieder neue auf, wobei der überwiegende Teil derer, rund drei Viertel, ganz kleine, inhabergeführte Shops ohne Beschäftigte sind. Wirklich Große erwischt es selten, aber dann sind eben besonders viele davon betroffen.
Aus Geschäften wurden Ketten
"In den 70er Jahren hat es mit den Ketten begonnen", sagt Hans-Georg Kantner vom Kreditschutzverband 1870. Diese hätten in einigen Branchen, darunter Textil und Lebensmittel, sukzessive kleine Geschäfte verdrängt. "Forstinger war so eine Kette."
Es war die Zeit des enormen Wachstums, der nicht nur den allgemeinen Konsum und die Umsätze, sondern auch die Verkaufsfläche betraf. Im Jahr 1976 wurde die Shopping City Süd eröffnet, sie ist heute eines der größten Einkaufszentren Europas mit fast 200.000 m2 Verkaufsfläche.
Seit damals steigt der Filialisierungsgrad kontinuierlich an, im Vorjahr erreichte er erstmals 40 Prozent. In manchen Branchen sind nur noch wenige Anbieter verblieben, vor allem bei Drogerien und Parfümerien, im Lebensmittelhandel und auch bei Bekleidung ist der Trend sehr nachhaltig. Der Grund dafür ist simpel: Die Margen sind so gering geworden, dass die einzige Antwort darauf mehr Standorte sowie mehr Fläche ist.
Stetes Wachstum
Die Baumax-Pleite zeigte, wie dort auf Wachstum gesetzt wurde. "Baumax hatte lange Zahlungsziele, dadurch aber immer Cash. Mit der hohen Liquidität hat man das Filialnetz ausgebaut, aber das geht nur so lange gut, solange es Wachstum gibt", so Kantner. "Wehe, es dreht der Umsatz einmal, dann ist man recht schnell illiquid", sagt der Kreditschützer.
Auch wenn die Gründe für Konkurse meistens unterschiedlich gelagert sind, sind doch zwei Ereignisse von großer Bedeutung, beide betreffen das Jahr 1995. Anfang dieses Jahres trat Österreich der Europäischen Union bei, im Juli verkaufte Amazon sein erstes Buch online.
Der EU-Beitritt hatte natürlich unmittelbarere Auswirkungen. Einige österreichische Filialisten wurden entweder rasch vom Markt gespült, verkauften sich (und ihre guten Geschäftslagen) an ausländische Unternehmen oder wechselten, wie zum Beispiel Ankerbrot, ihren Besitzer. "Zwischen 94 und 98 hat sich da viel abgespielt", sagt Kantner.
Viele österreichische Handelsketten sind nicht mehr übrig geblieben, die zunehmende Filialisierung im Handel hat sich durch den Zusammenschluss europäischer Märkte noch weiter beschleunigt, die Einkaufsvolumen der Großen konnten dadurch noch einmal gesteigert werden.
Den Umwälzungen der 90er Jahre folgte wieder eine Phase des Wachstums, wie Roman Schwarzenecker von der Beratungsgesellschaft "Standort und Markt" erzählt. "Von 1980 bis 2005 haben sich die Konsumausgaben jedes Jahr vergrößert. Die Menschen haben mehr Geld im Einzelhandel gelassen, aber das hat sich in den letzten zehn Jahren eingeschliffen." Die Lösung: Verkaufsflächenwachstum.
Das Internet spielte damals und spielt auch heute im Handel noch keine überragende Rolle. Sicher, CD- und Plattenketten sind völlig verschwunden, aber das hatte weniger mit dem Online-Handel zu tun. Der Marktanteil, so Schwarzenecker, liege noch meist im einstelligen Bereich, in manchen Sparten, etwa bei Sportartikel und Elektrowaren, ist der Anteil aber schon darüber.
Online-Handel mit Potenzial
"Wir rücken jetzt in die nächste Phase", sagt Kantner. Inwieweit sich die Zunahme im Online-Handel auf den stationären Handel auswirken wird, ist noch gewiss. Amazon hatte als Buchhandlung begonnen und auch in Österreich kräftig umgerührt, seit sieben Jahren sind die Marktanteile aber des stationären Buchhandels konstant. Spannend wird es für den Lebensmittelhandel. Hier wird nur ein Prozent online gekauft.
"Lebensmittel sind aber 40 Prozent aller Konsumausgaben. Hier gibt es also ein riesiges Potenzial. Aber noch hat man nicht das Problem mit der Kühlkette gelöst", sagt Schwarzenecker. Der Lebensmittelbereich zeichnet sich durch eine besonders hohe Konzentration aus - es gibt nur mehr wenige, dafür riesige Unternehmen -, anderseits sind die Margen pro Geschäft gering, der Konkurrenzdruck aber nach wie vor sehr hoch. Häufige Investitionen und Umbauten sind die Folge, um nicht an Attraktivität einzubüßen, wie es Schlecker und sicher auch Forstinger widerfahren ist.
Mit dem hohen Wachstum ist es nun vorbei. Zu den heute 230 Einkaufszentren werden nicht mehr viele hinzukommen. "Das ist gegessen", sagt Schwarzenecker von "Standort und Markt". "Wir werden 2024 sicher keine 300 haben." Immer mehr Filialen und immer mehr Verkaufsfläche ist eher kein Konzept für die Zukunft, zumal auch die Politik raumplanerisch hier zunehmend entgegenwirkt. Man will keine neuen Fachmarktzentren mehr an jedem Kreisverkehr. Es heißt ja, Handel sei Wandel. Der Leitspruch stimmt mehr denn je.