Bei einem Sieg bei der Oberhauswahl könnte die Liberaldemokratische Partei von Premier Shinzo Abe die pazifistische Verfassung ändern.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 11 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Die schlimmsten Befürchtungen der politischen Gegner von Premier Shinzo Abe sind wahr geworden: Der japanischen Wirtschaft geht es gut. "Abenomics" funktioniert so gut, dass Japan schneller wächst als die übrigen G8-Staaten. Der Premier und seine Liberaldemokratische Partei (LDP) konnten ihr großes Wahlversprechen damit einhalten. Denn dafür wurden sie gewählt, von einer Bevölkerung, der wirtschaftliche und politische Stabilität sogar wichtiger waren als ein totaler Atomausstieg.
Somit wird nach der Oberhauswahl am Sonntag der Sieger mit ziemlicher Sicherheit Shinzo Abe heißen. Ein Sieg würde auch ein Ende des "verdrehten Parlaments" bedeuten. Die Zwei-Dittel-Mehrheit in beiden Kammern wäre damit seit 1989 erstmals wieder in den Händen der LDP und ihrer Koalitionspartner. Wodurch sich wiederum weitere Befürchtungen vieler bewahrheiten könnten: die angekündigte Revision der pazifistischen japanischen Verfassung, die seit 1947 um keinen Buchstaben verändert wurde. Im Wahlkampf der LDP war die Revision der Verfassung kaum ein Thema. Die Partei hat sich an das Erfolgsrezept der Wahlen vom Dezember gehalten. Auch deshalb, weil ein Großteil der japanischen Bevölkerung einer Änderung skeptisch gegenübersteht. Abe möchte vor allem den von Japans Rechten gehassten Artikel 9 der Verfassung ändern. Der Artikel verbietet Japan unter anderem, sich in internationales Kriegsgeschehen einzumischen - etwas, das ironischerweise den Sicherheitspakt mit den USA seit jeher belastet.
Der LDP-Premier will allerdings noch einen - weitaus gefährlicheren - Schritt weiter gehen und auch Artikel 96 der Verfassung umschreiben: Dieser Teil der Verfassung besagt, dass es einer Zwei-Drittel-Mehrheit in beiden Kammern bedarf, um eine Verfassungsänderung durchzusetzen. In Zukunft soll schon eine einfache Mehrheit reichen, um Verfassungsänderung durchs Parlament zu bringen.
Zwar ist der Koalitionspartner, die pazifistisch-buddhistische New Komeito, strikt gegen eine Änderung der Verfassung. Mit der "Minna no To" oder der "Nippon Ishin no Kai", geführt von den erzkonservativen Falken Hashimoto und Ishihara, würden sich trotzdem genug Partner für eine Zwei-Drittel-Mehrheit finden.
Besonders China zeigt sich wenig begeistert von diesen Aussichten: Würde eine Verfassungsänderung von Artikel 9 doch unweigerlich eine Stärkung der Achse USA-Japan bedeuten. Dieses drohende Szenario und eine verschärfte Rhetorik des japanischen Premiers im Senkaku-Streit könnte dazu führen, dass die angespannte Situation zwischen den beiden Nachbarn eher früher als später eskaliert.
Andere Nachbarn werden das japanische Parlament auch mit Argusaugen beobachten. Ein Ende der pazifistischen Verfassung wäre für Länder wie die Philippinen oder Korea nicht tolerierbar. Zumindest so lange nicht, bis die japanische Politik es schafft, schonungslos ehrlich die furchtbare Kriegsvergangenheit aufzuarbeiten. Durch einen Wahlsieg hätte die LDP drei Jahre Zeit, bis zu den nächsten regulären Wahlen quasi frei zu schalten und zu walten. Dabei wäre politische Stabilität etwas, das Japan dringend brauchen könnte. Die Frage ist nur: zu welchem Preis?