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Die nächste Wahlschlacht in den USA

Von Alexander Dworzak

Politik

Zwei Stichwahlen für den US-Senat in Georgia entscheiden, ob Joe Biden durchregiert oder die Republikaner den neuen Präsidenten blockieren können. Beide Parteien bieten hunderte Millionen Dollar für diese Wahlkämpfe auf.


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Für Donald Trump ist Georgia bereits verloren. Auch die Neuauszählung der Stimmen der Präsidentschaftswahl ergab, dass der Amtsinhaber im südöstlichen US-Bundesstaat gegen Joe Biden unterlag. 49,5 Prozent stimmten für den Demokraten, um 0,2 Prozentpunkte mehr als für Trump. Am Sieg Bidens bestehe "kein Zweifel", sagt Brad Raffensberger. Er ist Georgias Staatssekretär, verantwortlich für die Durchführung der Wahl - und Republikaner.

Weil Raffensberger die Wahrheit ausgesprochen hat, wird er nicht nur von Trump beschimpft, der weder seine Niederlage in Georgia noch landesweit akzeptiert. Raffensbergers Demission wird auch von Kelly Loeffler und David Perdue gefordert. Die beiden gehören ebenfalls den Republikanern an, sie vertreten Georgia im US-Senat.

Ob sie das auch im künftig tun werden, beeinflusst nicht nur ihre persönlichen politischen Karrieren, sondern auch die Präsidentschaft von Joe Biden. Denn Loeffler und Perdue erzielten bei dem gleichzeitig mit der Präsidentschaftswahl abgehaltenen Senatsvotum Anfang November nicht die erforderliche Mehrheit. Sie müssen daher am 5. Jänner 2021 in die Stichwahl.

Bleibt der Senat in republikanischer Hand, werden die Regierungsgeschäfte für Biden ungleich schwieriger als bei einer demokratisch geführten Parlamentskammer. 50 zu 48 steht es dort derzeit für die Republikaner.

Zusammenarbeit statt Obstruktionspolitik

Verteidigt nur einer der beiden den Sitz, halten die Republikaner dort ihre absolute Majorität. Sie können dann nicht nur Gesetzesentwürfe der demokratisch dominierten anderen Parlamentskammer, dem Repräsentantenhaus, zurückweisen. Der Senat muss auch wichtige Personalien bestätigen, von Botschaftern über Ministern bis hin zu Höchstrichtern. Welches Machtpotenzial darin steckt, zeigte sich zuletzt im Herbst; die Republikaner peitschten die Wahl der erzkonservativen Amy Comey Barrett an den Supreme Court durch.

Umgekehrt hätten die Demokraten auch bei einem Gleichstand von 50 zu 50 die Oberhand im Senat. Dann würde Vizepräsidentin Kamala Harris mitstimmen. Präsident, Senat und Repräsentantenhaus in der Hand der Partei wären dann bis zu den Midterm Elections im Herbst 2022 gesichert. Das gab es zuletzt in den ersten beiden Jahren der Obama-Administration, bis 2011. Im Gefolge der Tea-Party-Bewegung fuhren die Republikaner danach einen Obstruktionskurs, der unter Trump gipfelte.

Genau daran erinnert Jon Ossoff in seinem Wahlkampf: "Ich werde mit Joe Biden zusammenarbeiten", betont der Demokrat. Der erst 33-jährige Investigativjournalist fordert den republikanischen Senator David Perdue heraus und warnt: "Perdue sagt, er werde alles in seiner Macht Stehende tun, damit Biden scheitert. So wie er es auch unter Obama gemacht hat." Einfach ist Ossoffs Aufgabe nicht, schnitt Perdue, 70 und seit 2015 amtierend, im Rennen um den Senat besser ab als Trump gegen Biden in Georgia.

Konservative Stammwähler für Umschwung benötigt

Die Demokraten konnten einen Rückstand von fünf Prozentpunkten bei der Präsidentschaftswahl 2016 aufholen, weil sie bei Wohlhabenden, College-Absolventen und in den vorwiegend von Weißen bewohnten Vorstädten der Metropole Atlanta stark zulegten. Hingegen fiel der Anteil Schwarzer - sie sympathisieren überwiegend mit den Demokraten - an den Wahlberechtigten auf den niedrigsten Stand seit 2006. Noch dazu sinkt die Wahlbeteiligung unter Afroamerikanern bei Stichwahlen zumeist stark.

Wollen die Demokraten gewinnen, müssen sie noch weiter in konservative Kernwählerschichten vordringen. Enorme Summen werden daher derzeit für Werbung ausgegeben. TV-Sports im Wert von 135 Millionen Dollar (113,7 Millionen Euro) seien bereits gebucht worden, berichtete die "New York Times". In den beiden Wahlkämpfen, die nur neun Wochen dauern, könnten es letztlich mehr als 500 Millionen Dollar (421 Millionen Euro) werden.

Am meisten konnte bisher Raphael Warnock eintreiben. Der Pfarrer der Ebenezer Baptist Church, einst von Martin Luther King geführt, tritt gegen die Republikanerin Kelly Loeffler an, die vermögendste aller 100 US-Senatoren. Die 49-Jährige rühmt sich, im Senat zu 100 Prozent nach den Vorstellungen Trumps abgestimmt zu haben. Auch Perdue hofft auf die Mobilisierung durch Trump-Anhänger und lässt keinerlei Absetzbewegung zum Noch-Präsidenten erkennen.

Die Demoskopen sagen knappe Rennen zwischen Warnock und Loeffler sowie Ossoff und Perdue vor. Georgia mag für Trump verloren sein, für die Republikanische Partei jedoch noch nicht.