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Die nächsten Hürden

Von Veronika Eschbacher

Politik
Eine Gaslagerstätte in Südrussland.
© Gazprom

Neben dem Kampf mit Brüssel über die Genehmigungen für die Gaspipeline South Stream tun sich für Gazprom weitere Fronten auf. Sein Exportmonopol wackelt.


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Moskau/Brüssel/Wien.So war das nicht geplant, wird man sich in der Glaskuppel im 34. Stock der Nametkina-Straße in Moskau gedacht haben. Hoch oben im Headoffice des russischen Gasmonopolisten Gazprom wird man sich wohl momentan die Haare raufen. Nicht nur, dass man sich mit den milliardenhohen Schulden der Ukraine und weiteren Verlusten durch den Gaslieferstopp an Kiew, einem der Hauptkunden, herumschlagen muss. Nein, auch bei einem der wichtigsten Zukunftsprojekte des Konzerns, der Gaspipeline South Stream, tauchen ständig neue Hürden auf.

Bisher lag der Konzern mit Brüssel über Kreuz, da der Bau der Pipeline laut EU-Kommission nicht dem europäischen Recht entspricht. In den bilateralen Vereinbarungen der europäischen Transitländer - darunter Österreich, wo die Pipeline endet - seien "Schlüsselprinzipien" der EU nicht berücksichtigt. Beanstandet wird die fehlende Trennung zwischen Energieversorger und Netzbetreiber (Ownership Unbundling) sowie der fehlende Zugang von Dritten (Third Party Access) - die Pipeline müsse auch anderen Gas-Konzernen offen sein.

Bisher konnte Gazprom auf die Transitländer Bulgarien, Ungarn und sehr stark auch auf Österreich setzen, die sich in Brüssel für das umstrittene Projekt starkmachen. Zumindest Bulgarien scheint aber vorerst wieder vorsichtiger zu sein. Am Dienstag erklärte Sofia, dass die Erdgasleitung von Gazprom nur dann gebaut werde, wenn der Betreiber die Nutzung für Dritte zulässt. Freilich meint man damit zuvorderst den Transit bulgarischen Gases, merkt aber an, dass Gazprom ja so der Forderung Brüssels nachkomme. Zurzeit finden Probebohrungen vor der bulgarischen Schwarzmeerküste statt, an denen sich auch die österreichische OMV beteiligt.

"Im Augenblick hat Gazprom kein Interesse daran, einen weiteren Lieferanten in die Röhre zu lassen", sagt Gerhard Mangott, Energie-Experte der Universität Innsbruck. Der Konzern hätte sich bisher in allen diesbezüglichen Diskussionen extrem dagegen gewehrt. Auch aus dem Büro des Energiekommissars Günther Oettinger hieß es auf Anfrage der "Wiener Zeitung", dass die russische Seite keine Andeutungen gemacht habe, weitere Lieferanten zulassen zu wollen. Gazprom selbst ließ zwei Anfragen der "Wiener Zeitung" unbeantwortet.

Vermehrt fordern aber auch russische Energieexperten ein Umdenken Gazproms. "Ich zweifle stark daran, dass Gazprom die EU davon überzeugen kann, irgendwelche Einschränkungen im EU-Recht im Rahmen dieses Projekts zu machen", sagt Sergej Pikin, Direktor des russischen Fonds für Energieentwicklung, zur "Wiener Zeitung". Daher würde es Gazprom nicht schaden, einen unabhängigen Gaslieferanten zuzulassen. Hier empfiehlt Pikin aber, dass der Konzern idealerweise die russischen Unternehmen Rosneft oder Novatek einbeziehen soll.

Dafür müsste freilich der Kreml erst den Gasexport über Pipelines liberalisieren. Eine Horrorvision für Gazprom, das das Monopol darauf hält und auch bereits die Exportöffnung von Flüssiggas (LNG) zu verhindern suchte, was jedoch nicht gelang.

"Die Frage ist, ob das Einspeisen von Gas durch die russischen Firmen Rosneft und Novatek wirklich von der EU als Third Party Access akzeptiert werden würde oder es darüber hinaus auch noch andere braucht", sagt Mangott. Wenn dies aber in Verhandlungen mit der EU-Kommission durchzubringen wäre, könnte sich Mangott sehr wohl vorstellen, dass die beiden Gesellschaften auch Zugang zu South Stream bekommen. Zumal mit Gennadij Timtschenko bei Novatek und Igor Setschin bei Rosneft Personen am Ruder sind, die engst mit Putin verbunden seien.

Finanzierung weiter offen

Aber auch die Finanzierung der 927 Kilometer langen Pipeline, deren Kosten von den meisten Experten bei rund 30 Milliarden Euro angesetzt werden, ist noch weitgehend ungeklärt. "Es gibt noch keine Finanzierung", sagt Pikin, "da es noch keine Genehmigung gibt."

Bisher waren die Kassen Gazproms prall gefüllt. Im Jahr 2013 führte der Konzern die Liste der gewinnbringendsten Energie-Unternehmen an - mit einem Reingewinn von 35,8 Milliarden US-Dollar. Die Ukraine-Krise schlägt sich aber mit einem erheblichen Gewinnrückgang in der Bilanz von Russlands größtem Gasförderer nieder. Das Unternehmen teilte am Mittwoch mit, es habe in den ersten sechs Monaten etwa 38 Prozent weniger erwirtschaftet als vor Jahresfrist. Hauptgrund des Rückgangs sei der Streit mit der Ukraine um unbezahlte Rechnungen, hieß es. Laut Gazprom betragen diese 3,75 Milliarden Euro. Analysten sprachen auch von deutlich höheren Steuerzahlungen, die Gazprom zuletzt leisten musste.

Gazprom trägt freilich bei South Stream die Hauptlast der Finanzierung. Nicht nur, weil der kostenintensivste Teil jener durchs Schwarze Meer ist, sondern auch, weil die Transitländer Bulgarien, Serbien und Ungarn ihren Teil der Pipeline wohl mit russischem Geld finanzieren werden. Laut Aleksej Griwatsch vom russischen Fonds für Energiesicherheit wirken sich - neben der "unkonstruktiven Haltung der EU-Kommission" - auch die Sanktionen des Westens gegen Russland negativ auf die Finanzierung des Projekts aus. Gazprom selbst ist zwar von den EU-Sanktionen nicht betroffen - aber der Zugang zum Finanzmarkt wird durch sie erschwert.

Das Projekt lohne sich auch wirtschaftlich derzeit nicht wirklich. Aber Gazprom nehme alle Risiken bei South Stream in Kauf, um das größere Risiko des Transits über die Ukraine auszuschließen. Einnahmen von 30 Milliarden Dollar entstammen dem Transitweg durch die Ukraine. Gazprom wolle weiter als zuverlässiger Lieferant gelten. Das gelte auch für den Gaspreis für europäische Kunden, beruhigt der Energieexperte. Auch wenn im Zuge des Sanktionenaustauschs von russischer Seite damit gedroht wurde - er glaube nicht an eine Erhöhung.