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Die Nahostlüge vom Unmöglichen

Von Engelbert Washietl

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Der Autor ist Vorsitzender der "Initiative Qualität im Journalismus"; zuvor Wirtschaftsblatt, Presse, und Salzburger Nachrichten.

Die Beendigung des britischen Militäreinsatzes in Nordirland nach 38 Jahren Terror und Ausnahmezustand ist der fast unauffällige Schlusspunkt hinter einer bereits vollzogenen dramatischen Wende - einer Wende im positiven Sinn. Während des kalten und heißen Krieges zwischen der aus der Republik Irland und dem Ausland finanzierten Terrororganisation IRA und der ebenso starrköpfigen wie gestrigen protestantischen Mehrheit im britischen Ulster hätte es kaum jemand für möglich gehalten, dass es ein friedliches Ende des mörderischen Tuns geben könnte. Das Nordirland-Problem war wegen seiner Vernetzung mit sozialen, religiösen, innen- und außenpolitischen Gegebenheiten so abstrus, dass Vernunft keine Chance zu haben schien.


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Die Wende war dennoch möglich. Sie kommt in einem Augenblick, in dem US-Präsident Bush gegen Ende seiner Amtszeit mehrere Staaten des Nahen Osten mit Waffen vollpumpt. Nun ist der Nahe Osten nicht Irland, und der einzige gemeinsame Nenner außer der Gewalt ist der, dass auch über die Nahostkrise wegen ihrer irrwitzigen Grundvoraussetzungen jedermann sagt: Für sie gibt es keine Lösung - wobei die pessimistische Grundannahme in beliebiger Reihenfolge sofort bestätigt wird: durch iranische Aufrüstung, durch das jeweils neueste Selbstmord-attentat in Irak, durch den militärischen Überfall Israels auf den Libanon oder durch einen Wahlsieg der Hamas mit der Folge eines Bürgerkriegs und durch den weltweiten Vormarsch der Islamisten.

Wer also die Zukunft aussichtslos malen will, hat jede Menge schwarze Farbe. Und dennoch, seit dem Sechstagekrieg von 1967 hat es dreimal dramatische Absagen an Totalitarismus, Terror und Unmenschlichkeit gegeben: das Ende der Apartheid in Südafrika, den Zusammenbruch des sowjetischen Diktatursystems und die Hinwendung Chinas wenigstens zu einem modernen Wirtschaftskurs. Alle drei Ereignisse waren "unmöglich", und dennoch ist die Welt anders geworden. Jedes Mal spielte eine herausragende Persönlichkeit eine ausschlaggebende Rolle: Nelson Mandela, Michail Gorbatschow, Deng Xiaoping.

So gesehen ist die Untergangsstimmung in Bezug auf Nahost Defätismus. Sie ist die Zwillingsschwester der perspektivlosen Außenpolitik Bushs, dem in seiner ganzen Amtszeit keine konstruktive Idee zu Nahost, wohl aber ein unter falschen Vorzeichen vom Zaun gebrochener Irak-Krieg eingefallen ist. Sein Vorgänger Bill Clinton, der übrigens auch den Irland-Prozess vorangetrieben hat, war in der Mittelostpolitik der Wahrheit beträchtlich näher.

Anlässlich des 40. Gedenktags des Sechstagekriegs sind auch in Israel Stimmen laut geworden, die Aufmerksamkeit verdienen. Es bezweifelt sowieso niemand, dass Israel seit seinem überwältigenden Militärsieg als unbesiegbar gilt und seine Herrschaft mit Mauern und Grenzzäunen im Lande abzusichern weiß. Aber die entscheidende Antwort hat noch keine Regierung in Tel Aviv und schon gar nicht eine im arabischen Lager gegeben: Was ist die langfristige Perspektive dieser Überlegenheit? Ein militärisches Besatzungsregime auf ewige Zeiten mit zwei Klassen von Staatsbürgern in einem nicht definierten Staatsgebiet? Wohl undenkbar. Nur das Denkbare macht Sinn, auch wenn es so fern zu sein scheint: eine Friedenslösung für den Nahen Osten.