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Die Liberalen werden seit der Ibiza-Affäre als Koalitionsvariante gehandelt. Ob sich das ausgeht?
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Wien. Diese Situation ist für die Neos ziemlich Neos, im Selbstverständnis der pinken Liberalen heißt das so viel wie: ziemlich neu. Durch Implosion der ehemaligen türkis-blauen Regierung nach der Ibiza-Affäre sind die Neos zumindest in der politikmedialen Diskussion zu einer Koalitionsvariante nach der Wahl im Herbst geworden. Ein wenig kokettieren die Neos auch selbst damit, wenn sie die Umfragen zitieren, wonach die Wähler sie in der nächsten Regierung sehen wollen. Das hehre Ziel ist aber noch ziemlich weit entfernt von der Realität.
Dafür müssten die Neos in jedem Fall deutlich stärker vom Fleck kommen als jetzt. Die Aussicht darauf ist allerdings getrübt.
Beim Erstantritt und Einzug ins Parlament 2013 profitierte die Partei von einer behäbigen und streitenden rot-schwarzen Koalition und einer unattraktiven ÖVP unter Michael Spindelegger. 2017 hatten die Neos im Duell Kern gegen Kurz Schwierigkeiten mit der Mobilisierung. Schließlich war die Chance groß, dass erstmals nach 2006 wieder ein Bürgerlicher ins Kanzleramt einzieht. Bei der Nationalratswahl verharrten die Neos bisher jeweils bei rund fünf Prozent. In Umfragen stehen sie derzeit acht Prozent - so viel wie bei der EU-Wahl.
Diesmal bekommen es die Neos aber nicht nur mit einer ÖVP zu tun, die mit Altkanzler Sebastian Kurz noch einmal deutlich zulegen, aber wohl nicht über die 40-Prozent-Marke kommen wird, sondern auch mit wiedererstarkten Grünen, die aus heutiger Sicht wohl zweistellig werden dürften.
Pink sticht Rot
Auch wenn die Neos es gerne erwähnen, dass sie grundsätzlich bereit wären, Verantwortung zu übernehmen, so wenig verspüren sie laut ihrem Generalsekretär Nikola Donig einen Koalitionsdruck. "Wir glauben, dass wir auch in der Opposition unsere Wirksamkeit haben", sagt Donig.
Aus heutiger Sicht komme auch keine Zusammenarbeit mit Kurz infrage, die sich für ÖVP und Neos alleine rechnerisch ohnehin nur schwer ausgehen wird, weil die beiden Parteien teilweise kommunizierende Gefäße sind. Wer wie die ÖVP bei der Parteifinanzierung nicht transparent sei, werde kein Partner, so Donig.
Wahrscheinlicher ist da schon ein Dreierbündnis mit den Grünen. In Salzburg ist das in der Landesregierung bereits gelebte Praxis. In einer solchen Konstellation könnten sich die Neos mit ihrer gesellschaftspolitisch liberalen und marktkonformen Weltanschauung zwischen ÖVP und Grünen in der Mitte einpendeln. Dass der ehemalige "Kurier"-Herausgeber und am Donnerstag vorgestellte Zweite der Neos-Bundesliste, Helmut Brandstätter, in seinem kürzlich erschienenen Buch Kurz nachsagt, er habe die Orbanisierungsfantasien von Herbert Kickl durchgehen lassen, hat mögliche Verhandlungen für die Neos mit der ÖVP aber sicherlich nicht leichter gemacht.
An sich haben sich die Neos zuletzt vor allem in der Zeit nach der Ibiza-Affäre hervorgetan. Ihre Chefin Beate Mein-Reisinger wurde als Oppositionschefin wahrgenommen, während SPÖ-Frontfrau Pamela Rendi-Wagner und ihr im Vergleich weit größerer Parteiapparat tagelang nicht so recht wussten, ob sie das Misstrauensvotum gegen Sebastian Kurz wirklich wollen oder nicht.
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Auch als Kickl Monate davor eine Sicherungshaft für "gefährliche Asylwerber" forderte, ging die SPÖ in Gespräche, von den Neos kam umgehend ein "Nein". Bei der Parteispendenreform forderten die Neos mehr Transparenz und Kontrollrechte für den Rechnungshof, die SPÖ setzte mit FPÖ und Jetzt eine Spenderobergrenze von 7500 Euro pro Jahr durch. Das wirkte eher nach einer Maßregelung für Kurz und dessen Sechs-Millionen-Überzug im vergangenen Wahlkampf denn als Antwort auf die angekündigten Finanzierungstricks aus dem Ibiza-Video. Weniger gut ins Bild passte es dann aber, als Neos-Finanzier Hans Peter Haselsteiner kurz vor dem Inkrafttreten der Spendenobergrenze 300.000 Euro an die Neos überwies.
Die "Anstandspartei"
Bei der Themenpalette für den Wahlkampf taucht bei den Neos ein altbekanntes Problem auf. Ein Unterscheidungsmerkmal fehlt. Neben dem Neos-Leibthema Bildung fordern die Liberalen Steuerentlastung, gerechte Pensionen oder ein ordentliches Sozial- und Pflegewesen. Das tun andere auch. Die Abschaffung der kalten Progression oder eine Umweltpolitik in Kombination mit Marktwirtschaft zu denken, fällt etwas mehr auf. Gewagtere Neos-Forderungen wie die Sonntagsöffnung oder die Abschaffung Mietzinsobergrenzen verstummten nach politikmedialer Kritik.
Laufen soll der Wahlkampf jedenfalls unter dem Label Anstand. Nach Ibiza- und Schredder-Affäre will man sich als die transparente Partei positionieren, die permanent zeige, wie viel man einnimmt und ausgibt. Allerdings zeigen die Prognosen, dass nach wie vor rund ein Fünftel der Wähler FPÖ wählen würde, der ÖVP hat die Affäre gar nicht geschadet. Im Gegenteil. Das allein werde bestimmt nicht reichen, sagt Donig. Aber es sei eine Basis, ohne dieser Zukunftsfragen nicht angegangen werden können.