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Ländle-Wahl: ÖVP-Spitzenkandidat Markus Wallner im Interview.
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"Wiener Zeitung": Herr Landeshauptmann, gilt für Sie das alte Sprichwort, nach dem die Wähler immer recht haben?Markus Wallner: Natürlich.
Was heißt das dann im Hinblick auf den von Umfragen prognostizierten Verlust der absoluten Mehrheit der ÖVP am 21. September?
Ich werde mich jetzt sicher nicht mit Prognosen befassen, auch wenn viele Journalisten danach fragen. Wir werden mit Respekt abwarten, wie die Wähler entscheiden und dann die Lage neu beurteilen.
Vorarlberg präsentiert sich gerne als Musterland. Wo besteht Handlungsbedarf?
Unsere Herausforderungen unterscheiden sich nicht wesentlich von denen anderer Bundesländer und benachbarter Regionen: Wachstum, Bildung, die Ausbildung von Fachkräften ganz generell und mit einem besonderen Augenmerk auf Pflege und Gesundheit, weil wir hier durch die Nachbarschaft zur Schweiz besondere Probleme haben; auch Unterstützung von Familien bleibt eine wichtige Frage.
Was ist mit dem Integrationsbereich? Nach Wien mit 38 Prozent verfügt Vorarlberg mit rund 25 Prozent über den zweithöchsten Migrantenanteil. Vertreter der zweiten und dritten Generation haben massive Probleme, die soziale Leiter nach oben zu klettern und bleiben oft in Hilfsarbeiterberufen hängen. Was ist hier schiefgelaufen, was muss jetzt getan werden?
Wir stehen hier sicher vor besonderen Herausforderungen, das ergibt sich schon allein aus der großen Zahl von Betroffenen. Zum einen müssen wir klare Spielregeln einfordern, das heißt: Es gilt die österreichische Verfassung und sonst gar nichts. Zum anderen brauchen wir stimmige Integrationsprogramme, die auf unserem Integrationsleitbild aufbauen. Da ist zwar schon einiges weitergegangen, aber es bleibt viel zu tun. Vor allem der hohe Arbeitslosenanteil von Jugendlichen mit Migrationshintergrund ist eine große Herausforderung. Wir wissen etwa, dass hier Sprachdefizite eine wesentliche Rolle spielen, also müssen wir noch mehr Augenmerk auf sprachliche Frühförderung und Sprachausbildung in der Volksschule legen; wichtig ist zudem, die Eltern miteinzubeziehen, die teils selbst nicht einmal die eigene Muttersprache beherrschen. Das bleibt ein großes Thema für die kommenden Jahre.
Die Grünen im Land wollen vom Bund freie Hand für eine Modellregion Gemeinsame Schule. Wie stehen Sie dazu?
Das ist ein interessanter Ansatz und für uns auch nicht neu. Nur sind wir in den ersten Anläufen nicht sehr weit gekommen, weder im Land noch im Verhältnis zum Bund. Klar ist, dass wir am Thema dranbleiben, deshalb haben wir eine eigene Forschungsgruppe ins Leben gerufen, wo es um die Weiterentwicklung der Schule für die 10- bis 14-Jährigen geht, um endlich einmal die notwendigen Voraussetzungen für eine Gemeinsame Schule seriös zu klären: Sind wir in der Lehrerausbildung, in Fragen der Pädagogik und der Finanzierung überhaupt auf dieses Projekt ausreichend vorbereitet? Das ist alles völlig offen. Hinzu machen wir eine flächendeckende Befragung, die Lehrer, Schüler und Eltern miteinbezieht. Es geht darum, endlich die alten ideologischen Schützengräben zu überwinden. Bis 2015 wollen wir konkrete Antworten auf alle Fragen haben, dann sehen wir weiter.
Das klingt danach, als ob Sie sich mit der Idee der Grünen anfreunden könnten.
Wir dürfen nicht den Fehler machen, dass wir uns nur auf die 10- bis 14-Jährigen fixieren. Mindestens so wichtig, wenn nicht wichtiger, sind Fragen der Frühförderung, der Stärkung der Volksschulen, wo wir als einziges Land 3,5 Millionen zusätzlich für schulautonome Förderprojekte ausgeben; elementar sind für uns zudem die Lehrlingsförderung und neue Studiengänge an der Fachhochschule.
Wie viele Stimmenprozent ist der Wechsel von Spindelegger zu Mitterlehner für die ÖVP wert?
Das kann man schwer einschätzen. Wenn ich nach den Gesprächen gehe, die ich mit vielen Bürgern führe, dann ist zumindest der scharfe Gegenwind, der zuletzt aufgrund der Situation auf Bundesebene herrschte, weg. Ob daraus noch ein Rückenwind wird, bleibt abzuwarten. Hoffnung gibt, dass mit Hans Jörg Schelling jetzt ein Vorarlberger als Finanzminister fungiert, der die Dinge mit alemannischen Tugenden anpackt. Das beruhigt viele Leute.
Manche in der ÖVP sagen, wenn nur die Bundespartei anders agiert hätte, dann wären die Neos nie gegründet worden, die jetzt zu Konkurrenten geworden sind.
Mittlerweile haben wir uns an die neue Konkurrenz gewöhnt, zumal ja auch die Neos mit Problemen zu kämpfen haben. Das spüren die Wähler auch in Vorarlberg, wo diverse Aussagen für Unruhe gesorgt haben und auch deren Personaldecke eher dünn zu sein scheint. Rückblickend hätte die ÖVP sicher einige Fehler vermeiden können. Aber das ist alles passé, jetzt ist Wahlkampf. Am Ende, so glaube ich, werden die Neos über sich selbst stolpern.
Vorletzte Frage: Die Schotten wollen ihre Unabhängigkeit, Flamen Katalanen, Korsen detto. Einst wollten auch die Vorarlberger weg von Wien. Wie ist das heute?
(lacht) Nein, jedenfalls nicht zwingend. Wir legen aber schon großen Wert auf unsere Eigenständigkeit. Wir sind überzeugt, dass kleine Einheiten effizient arbeiten können, in vielen Bereichen beweisen wir das auch - die Schweiz schafft es sogar, die niedrigsten Verwaltungskosten in Europa zu haben. Wenn man also unsere Eigenarten berücksichtigt, sind wir mit Wien gar nicht so unzufrieden. Entscheidend ist, dass wir unsere Finanzhoheit behalten, das ist der Kern jeder Eigenständigkeit.
Gibt es für den Wahlabend eine Schmerzgrenze, an der Sie Konsequenzen ziehen würden?
Die gibt es immer, aber jetzt geht es darum, alle Kraft für den Schlusssprint aufzuwenden. Alles weitere zeigt sich dann.
Zur Person
Markus Wallner
Der studierte Historiker und Politikwissenschafter folgte Ende 2011 auf Herbert Sausgruber als Vorarlberg Landeshauptmann nach. Der Bludenzer des Jahrgangs 1967 war zuvor Landesrat, Klubobmann und schließlich Landesstatthalter; an der Spitze der Ländle-ÖVP steht Wallner
seit März 2012.
Er ist verheiratet und Vater von drei Kindern.
Der Wahlhelfer zur Landtagswahl