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Die neue Gefahr aus Nordkorea

Von Andreas Raffeiner

Gastkommentare
Andreas Raffeiner hat in Innsbruck Geschichte studiert, lebt und forscht in Bozen und ist als freier Autor, Redakteur, Referent und Rezensent tätig.
© Katharina Fink

Nicht nur in der Ukraine und rund um Taiwan gibt es enormes globales Eskalationspotenzial.


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Während unsere Welt tagtäglich über die neuesten Entwicklungen und Tendenzen rund um den seit dem 24. Februar 2022 seitens Russlands vom Zaun gebrochenen Krieg in der Ukraine informiert wird, sollte sie auch einen Blick über den Tellerrand abseits der kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen den Truppen Wolodymyr Selenskyjs und Wladimir Putins wagen. Der nordkoreanische Führer Kim Jong-un kann möglicherweise - und das Ganze ist nicht einmal so abwegig - die restliche Welt mit seinen Langstreckenraketen mit festem Treibstoff und einer kürzeren Vorwarnzeit mehr als nur terrorisieren und in Angst und Schrecken versetzen. Japan, beileibe kein Kriegsziel, zittert jetzt schon. Die restliche Welt schaut wie gelähmt zu und schafft es nicht, die nötigen Hebel in Bewegung zu setzen. Zu sehr ist man mit sich beschäftigt, zu sehr will man auf Diplomatie und Taktik setzen. Ob das gut geht?

Und wenn Kims Terror trotz des Besuchs der deutschen Außenministerin Annalena Baerbock in Südkorea ansatzweise seine Zielsetzungen erreichen würde, dann wäre tatsächlich Feuer am Dach. Es ist fraglich, ob das eine innerasiatische Kettenreaktion oder eine Initialzündung für einen Dritten Weltkrieg mit sich bringen würde. Chinas Säbelrasseln und die einhergehende Taiwan-Frage können ebenfalls als Beispiele dafür angesehen werden. Doch bleiben wir (bewusst) in Nordkorea: Dem Diktator vom anderen Ende der Welt stünde es gut an, sich mehr für die Belange seiner geknechteten Bevölkerung einzusetzen.

Kim weiß, dass die Menschenrechte nur auf einem Papier stehen. Sein Handeln ist genau so ausgerichtet. Er will der Größte und der Mächtigste der Welt sein und sein armes Land gegen die USA bis aufs Blut verteidigen. Doch was bringt es, unnötig Zeit und wertvolle Energie in die Verteidigung gegen propagandistisch-eingebildete Feindbilder zu stecken? Der Diktator weiß womöglich nicht, dass seine Untertanen wiederholt vor einer großen und nicht zu unterschätzenden Hungersnot stehen und seltene Krankheiten wie beispielsweise die Tuberkulose im Land grassieren. Will er die Wahrheit nicht erkennen? Ist er auf einem Auge blind? Womöglich will er den Helden spielen und isoliert sich durch seine gefährlichen Einzelgänge immer mehr von der restlichen, halbwegs vernünftigen Welt. Besonders verrückt erscheint es für den außenstehenden Beobachter, dass für Raketenprogramme immer noch ausreichend Geld da ist, während die Zivilbevölkerung, das Gerüst eines jeden Staates, zum Hungern verurteilt wird.

Dass Kim das Leid und die Sorgen der eigenen Bevölkerung offenbar schlicht egal sind, erkennt man an einer auf keinen Fall dauerhaft funktionierenden Wasser- und Stromversorgung auf dem Land. Das Vorhandensein eines vernünftigen Straßennetzes lässt außerdem ebenfalls zu wünschen übrig. Dass das prekäre und keineswegs transparente Machtspiel mit den besagten Langstreckenraketen ein doppeltes Spiel mit dem Feuer ist, ist mehr als offenkundig. Welches Spiel das genau ist, hat sich wohl in der nordkoreanischen Führungsriege und bis zu Kim noch nicht herumgesprochen.