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Sie versprechen sich bessere Konzentration, ein gesünderes Sexualleben und letztlich mehr Kontrolle über das eigene Leben. Der Weg dorthin führt den Anhängern von NoFap zufolge über Enthaltsamkeit - vor allem und zuerst einmal sich selbst gegenüber. Der Verzicht auf Pornos und Selbstbefriedigung solle zum Glück führen, ja zur Erleuchtung.
Für die neu entdeckte Kraft durch Keuschheit schließen sie sich im Internet zusammen, motivieren einander gegenseitig, tauschen Erfahrungen aus. Wer sucht, der findet ausführliche Selbsterfahrungsprotokolle der männlichen Verweigerung der eigenen Lust. Da ist von qualvollen ersten Tagen beim Stiegensteigen zu lesen, aber auch, wie die sexuelle Energie nach einer Flaute in neue Bahnen umgeleitet wird - etwa auf "echte Frauen zum Anfassen".
Hinter dem sexuellen Heilfasten, bei dem 90 Tage als ein kompletter Reinigungszyklus gelten, steht keine religiöse oder moralische Idee. Es geht den Anhängern um die (Wieder-)Gewinnung der Kontrolle über den eigenen Trieb, um die Rückeroberung der Männlichkeit, um den Schritt vom gesellschaftlich verunsicherten Softie hin zum bis in die letzte Pore mit Testosteron gefüllten Alpha-Tier. Genutzt wird dafür eine der stärksten (männlichen) Kraftquellen: die Macht der Verweigerung. Die dürfen auch die angeblichen drei Prozent der teilnehmenden Frauen nutzen.
Bei aller Wehleidigkeit, die bei diesem männlichen Opferkult mitschwingt: Dem Gehirn eine Pause von der digitalen Reizüberflutung zu gönnen, ist so gut wie jedem zu empfehlen. Die Energie, die dabei in neue Bahnen gelenkt werden könnte, ist unvorstellbar.