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Höhenflug bürgerlicher Parteien in Visegrad-Staaten. | Expertentagung: Trend hängt an Zuspruch der Intellektuellen. | Bratislava. Als sich vor fast 20 Jahren Polen, Ungarn und die Tschechoslowakei zur Visegrad-Gruppe zusammenschlossen, lag ihr Beitritt zur Europäischen Union in weiter Ferne. Mittlerweile sind aus den drei Ländern vier geworden, sie alle sind Mitglieder von Nato und EU.
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Und künftig könnten sie auch mit einer Stimme sprechen, mutmaßten polnische Medien nach den Nationalratswahlen in der Slowakei. Dort trat am gestrigen Donnerstag das Kabinett des Sozialdemokraten Robert Fico ab, es wird von der Mitte-Rechts-Regierung der Wirtschaftsliberalen Iveta Radicova abgelöst.
In allen vier Ländern haben nun bürgerliche Parteien das Sagen. Erste gemeinsame Nenner wollen die Ministerpräsidenten am 20. Juli in Budapest suchen.
Auf Einladung des Instituts für öffentliche Fragen in Bratislava befassten sich nun Experten mit der Frage, inwiefern die politischen Landschaften nach den Parlamentswahlen in der Slowakei, Tschechien und Ungarn sowie der Präsidentenwahl in Polen vergleichbar sind.
Mit Ausnahme von Ungarn verdanken demnach die liberalen und konservativen Kräfte ihren Höhenflug dem Zuspruch der gebildeten Schichten. Dadurch spiegeln die Wahlergebnisse aber nicht zwingend die öffentliche Meinung wider. Jan Hartl vom Prager Think-Tank Stem zufolge sind in Tschechien gerade einmal 47 Prozent der Bürger mit dem Wahlausgang zufrieden, während es früher immer um die 60 Prozent waren. In Polen wiederum setzte sich mit dem Intellektuellen Bronislaw Komorowski nur der beste von drei "Kandidaten zweiter Wahl" durch, glaubt Ben Stanley von der Universität Essex.
Mit den Wahlsiegen für bürgerliche Parteien wurde das Ende des Post-Kommunismus besiegelt, waren sich die Experten einig. Der Beginn einer neuen Ära werde nicht zuletzt auch an den Erfolgen zahlreicher neuer Parteien deutlich, darunter die für eine stärkere Zivilgesellschaft eintretende LMP in Ungarn, die wirtschaftsliberale Freiheit und Solidarität in der Slowakei oder die Partei Öffentliche Angelegenheiten in Tschechien.
Allerdings sind nicht alle frischen politischen Kräfte der Demokratie förderlich. Gergo Medve-Balint von der Central European University in Budapest warnte vor einer weiteren Radikalisierung der ungarischen Wähler zu Gunsten der Rechtspartei Jobbik. Diese drohe, falls es Fidesz, der seit April eine satte Zweidrittelmehrheit im Parlament hat, nicht gelinge, in kurzer Zeit Arbeitsplätze zu schaffen, die Staatsfinanzen zu sanieren und die Steuern fühlbar zu senken.