Zum Hauptinhalt springen

Die neue Regionalität

Von Martin Schiefer

Recht
Martin Schiefer ist seit mehr als 20 Jahren im Vergaberecht tätig und Experte für Beschaffung. Seine Kanzlei Schiefer Rechtsanwälte hat Büros ins Wien, Salzburg, Graz, Klagenfurt und St. Pölten.
© Renate Medwed

Kriterien der umweltrelevanten und sozialen Auswirkungen als Rückenwind für regionale Unternehmen.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 2 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Klimawandel, Nachhaltigkeit und Umweltschutz sind die Meta-Themen, die aktuell jeden Unternehmer, jede Organisation und jeden Entscheider beschäftigen. Es ist nicht nur der öffentliche und gesellschaftliche Druck, der auf der Verwaltung, den Konzernen und den Betrieben lastet, mit der zunehmenden Bedeutung von ESG-Kriterien werden die neuen Rahmenbedingungen im Zeitalter der Klimakrise klar definiert. Environmental Social Governance (ESG) ist das neue Ziel. Umweltrelevante und soziale Auswirkungen einer Organisation werden damit künftig noch viel stärker in den Fokus rücken. Ihre Bedeutung liegt auf einer Ebene mit Gewinn und Profit. Verantwortungsbewusstes Handeln wird vom Nice-to-Have zum Must-Have. Das gilt für Unternehmen in ihrer Rolle als Arbeitgeber wie in der Rolle als Partner, Lieferant und sogar Kunde. Die Ethik erlebt eine Renaissance und steht für diese neuen Werte.

Eine Antwort darauf ist nicht leicht zu finden. Sie muss vielfach erst definiert werden. Genauso wie der Weg dahin. Es gibt kein Patentrezept. Es müssen noch viele Diskussionen dazu erfolgen.

Die vielleicht wichtigste und drängendste ist die Definition von Nachhaltigkeit. Der Begriff wird aktuell inflationär genutzt. Alles ist nachhaltig und muss nachhaltig sein: von den Sneakers bis zu den Erdbeeren. Eine Idee von dieser Diskussion flammt immer wieder bei der E-Mobilität auf. In welchem Verhältnis steht die CO2-neutrale Nutzung eines Teslas mit dem Gewinn und der Entsorgung ihrer Batterie? Atomkraftwerke wurden in den 80er-Jahren und nach Tschernobyl als Inbegriff der schmutzigen Energiegewinnung gesehen, heute wird mitunter Atomstrom als grün bezeichnet - aber zu welchem Preis? Auch hier darf die Frage der Entsorgung des Atommülls nicht einfach ignoriert werden. An diesen zwei Beispielen lässt sich erkennen, wie komplex und unausgereift der Nachhaltigkeitsbegriff heute ist.

Transportwege minimiert

Lange Transportwege haben nicht nur einen hohen CO2-Impact, sondern durch die Corona-Krise und die Blockade im Suez-Kanal wurden die Verlässlichkeit und Zuverlässigkeit der Lieferketten beeinträchtigt. Auf all das scheint es eine Antwort zu geben: Regionalität. Wer regional kauft, minimiert die Transportwege, unterstützt eine heimische Produktion, die kontrolliert und nachhaltig erfolgen kann. Die heimischen Unternehmen können ein Baustein für die erfolgreiche Bekämpfung der Klimakrise sein. ESG kann damit zum Treiber für eine neue Regionalität werden.

Öffentlichen Auftraggebern kommt hier eine verantwortungsvolle Rolle zu. Sie können, sollen oder müssen ESG-Kriterien nutzen. Vergabeverfahren können als starke Lenkungsinstrumente eingesetzt werden. Die Verwaltung kann mit Hilfe des Vergaberechts und mit dem Instrument der Ausschreibungen einen multidimensionalen Impact leisten. Die jeweiligen Projekte werden ESG-konform umgesetzt, die Auftragnehmer haben einen Anlass und mit dem Auftrag ein Businessmodell umwelt- und ressourcenschonend zu produzieren und zu liefern. Das macht die Unternehmen generell wettbewerbsfähiger. Zudem haben öffentliche Ausschreibungen immer einen Abstrahleffekt und eine Vorbildfunktion - auf Großkonzerne, Entwicklungen, die Wirtschaft und Industrie. Für die heimischen, regionalen Unternehmen gilt es, ESG klug zu nutzen.