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Die USA haben sich seit Beginn der Präsidentschaft Barack Obamas verändert - allerdings vor allem, weil sich die Welt um sie herum verändert hat.
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Mit dem Abzug US-Truppen aus dem Irak und aus Afghanistan und den Spekulationen über eine Beendigung des Einsatzes im Kosovo scheint es, als habe die größte Supermacht der Welt ihren außenpolitischen Kurs geändert. Es waren vor allem die Pyrrhussiege im Nahen Osten, die Amerikas finanzielle Kapazitäten stark beeinträchtigt haben.
Kurz vor den Präsidentschaftswahlen im November 2012 kommt der Regierung von Barack Obama diese Maßnahme durchaus zugute. Zwar war Obamas Wahlversprechen, das Gefangenenlager in Guantanamo zu schließen, ein leeres, denn die Mehrheit der Abgeordneten stimmte dagegen; doch immerhin kann jetzt der Schein gewahrt werden, doch noch Afghanistan und den Irak von der Schreckensherrschaft Osama bin Ladens und Saddam Husseins befreit zu haben. Zugegeben, ein schwacher Trost, denn von Stabilität und einem nachhaltigen Demokratisierungsprozess kann in beiden Ländern nicht die Rede sein.
Die USA haben sich seit Beginn der Präsidentschaft Obamas tatsächlich verändert - allerdings hauptsächlich, weil sich die Welt um sie verändert hat. Die Revolutionen im arabischen Raum hieß man jenseits des Atlantiks zwar gut, gleichzeitig bewirkten sie aber viel Unsicherheit in Regierungskreisen.
Gewiss könnten sich die Vereinigten Staaten von Amerika unter Umständen mit islamistischen Regimen arrangieren, wie sie es mit Saudi-Arabien schon fast drei Jahrzehnte lang tun. Doch wie kooperationsbereit werden sich die neuen Kräfte in Ägypten, Libyen und vielleicht schon bald in Syrien erweisen?
Diesem Risiko will die Regierung Obama nun vorbeugen, indem sie Soldaten aus zwei hoffnungslos verlorenen Kriegsgebieten zurückholt und sie auf derzeit strategisch wichtigeren Positionen - auf der Golfhalbinsel und am Jordan - stationiert. Einer vermeintlichen "Befriedung" der einen Region gehen also schon die Vorbereitungen auf einen möglichen Einsatz in der anderen voraus.
Eine Supermacht darf der Kriegsführung nicht müde werden, sie darf nicht auf- oder nachgeben, sonst würde sie ihre Hegemonie einbüßen. Diesem "Naturgesetz" ist sich auch der Friedensnobelpreisträger Obama spätestens seit seiner Amtszeit als Präsident des mächtigsten Staates bewusst geworden. Die Männer hinter ihm kannten diese Lektion schon lange. Und trotzdem werden die Stimmen nach einer "multipolaren Weltordnung", die sich dem Aufstreben der neuen Großmächte China und Indien sowie der arabischen Welt konsensbereit öffnet, besonders unter Experten immer lauter.
Der US-Demokratieforscher Thomas Carothers macht etwa die Glaubwürdigkeit der USA von ihrer Fähigkeit abhängig, einen Konsens mit anderen Ländern zu erzielen. Der Alleingang der Amerikaner ist also auf dem Weg, ein Auslaufprodukt zu werden. Die doppelte Moral von demokratischen Werten wird jedoch weiter bestehen. Laut Carothers werden die USA auch in Zukunft nicht von ihrer altbekannten Taktik ablassen, Demokratie und Menschenrechte herunterzuspielen, solange autoritäre Staaten ihren Interessen dienlich sind.