"Snusen" ist unter Jugendlichen zum Trend geworden. Doch die Nikotinbeutel sind teuflisch.
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Verbotenes Rauchen am Schulhof und von Lehrern oder dem Schulwart eine Standpauke einzukassieren, war gestern. Heute findet der Nikotinkonsum bei Jugendlichen nahezu still und heimlich - mitunter sogar im Klassenzimmer - statt. Möglich machen dies unter die Oberlippe geschobene, kleine weiße Nikotinbeutelchen, um die zuletzt auch in Österreich ein regelrechter Hype entstanden ist. Ein Trend, der Suchtexperten Sorge bereitet.
"Snusen" nennt sich die Methode, um sich völlig unauffällig mit Nikotin aufzuputschen. Die Beutel sind nicht neu - sie haben in Skandinavien eine lange Tradition. Bereits seit dem 19. Jahrhundert werden sie in Schweden verwendet. In seiner ursprünglichen Form ist Snus loses Tabakpulver. Heute wird es in Beuteln verpackt und ist in unterschiedlichen Stärkegraden und Geschmacksrichtungen im Handel. Das Nikotin gelangt über die Schleimhaut in den Körper.
Bis zu zehn Zigaretten
In Schweden ist das Produkt nach wie vor erhältlich. Allerdings ist der Verkauf der originalen Snus durch eine EU-Richtlinie europaweit verboten. Deshalb wurde auch eine Variante auf den Markt gebracht, die keinen Tabak enthält. Mit diesem "next generation product" mit Inhaltsstoffen wie Salzen, Pflanzenfasern, Aromen und einigen anderen Zusätzen konnte die Industrie das EU-weite Handels- und Verkaufsverbot umgehen. Und damit auch das damit verbundene Werbeverbot. Nikotin ist dennoch enthalten - noch dazu mehr als in einer Zigarette.
Die Substanz verhilft dem Körper zu einem kurzfristigen Dopaminkick, wirkt damit stimmungsaufhellend und sorgt für ein leichtes Wohlfühlgefühl, betont Rainer Schmidbauer, Leiter des Instituts Suchtprävention der pro mente Oberösterreich in Linz im Gespräch mit der "Wiener Zeitung". Ein Säckchen enthält zumeist zwischen vier und elf Milligramm des Stoffes. In einer Zigarette stecken etwa zwölf Milligramm Nikotin, wobei nur etwa zehn Prozent tatsächlich beim Inhalieren in den Körper gelangen.
Ein durchschnittlicher Nikotin-Pouch von acht Milligramm entspricht daher etwa der Menge von drei gerauchten Zigaretten. Aufgrund der unterschiedlichen Stärkegrade können es allerdings auch zehn alternative Glimmstängel sein. Grundsätzlich gelten die Nikotinbeutel, da sie tabakfrei sind, als gesunde Alternative zum Rauchen, wie Gabriele Fischer, Leiterin der Drogenambulanz an der Medizinischen Universität Wien im Gespräch erklärt. "Durch das Erhitzen des Tabaks entstehen die ganzen Schadstoffe. Das Nikotin alleine stört uns nicht", meint sie.
Drei Schritte zurück
Dennoch sei Vorsicht geboten, denn man "kommt recht schnell in einen Bereich, in dem man in die Abhängigkeit schlittert", so Schmidbauer. "Das wirft uns drei Schritte zurück." In den letzten Jahrzehnten konnte nämlich das Rauchen erfolgreich zurückgedrängt werden.
Die neuen Produkte, darunter auch die Vapes genannten All-inOne E-Zigaretten, zielen auf neue Konsumenten - nämlich junge Personen - ab. Sie werden als coole, lässige und bunte Produkte präsentiert. Willkommen in der bunten Glitzerwelt. Damit wird dem Nikotinkonsum ein "sauberes" Image verpasst.
Ob Zitrus, Minze, Obst, Zimt oder Chili - auch die Geschmacksrichtungen zielen auf junges Publikum ab. Schon der erste Konsum gestaltet sich angenehm. "Nimmt man die ersten Züge einer Zigarette, kommt es nicht unbedingt zum großen Wohlfühlen", so der Experte. Dringt der Rauch die ersten Male durch die Atemwege in die Lunge, kommt es zumeist durch Husten und Ekel zu einer Abwehrreaktion des Körpers. Bei den Nikotinbeuteln ist das nicht der Fall. Das führe insgesamt dazu, dass man relativ leicht den Einstieg schafft. Damit ist allerdings auch das Suchtpotenzial höher.
Trend besorgniserregend
"Es handelt sich um einen Trend, der wirklich besorgniserregend ist", urteilt Schmidbauer. Die Pouches sind ständig verfügbar und können auch überall konsumiert werden. Ob am Arbeitsplatz oder in der Schule - ein Rauchverbot ist keine Hürde mehr. Da sich die Mengen nur schwer dosieren lassen und die Nic-Bags vor allem bei Jugendlichen nahezu wie Kaugummis verzehrt werden, kann es schnell zur Abhängigkeit kommen. Und auf lange Sicht gesehen sind diese stark süchtigmachenden Produkte gesundheitsschädlich. Auch Snus-Konsumenten sind vor Herz-Kreislauferkrankungen, Schlaganfällen, Thrombosen oder Krebs nicht gefeit.
Besonders bei Anfängern kann sich das Nikotin, das über die Schleimhaut ins Blut gelangt, stark auf den Kreislauf auswirken. Die Substanz ist aktivierend und erhöht damit Puls und Blutdruck. Zudem kommt es zu einer Verengung der Gefäße. Im Extremfall kann es vor allem bei jungen Konsumenten auch eine Nikotinvergiftung hervorrufen. Das führt zu Übelkeit, Erbrechen und Herzrasen, betont Gabriele Fischer. Verschlucken Kinder einen solchen Nic-Bag, kann das aufgrund des hohen Gehalts von Nikotin sogar lebensbedrohlich sein.
"Sucht euch Hilfe"
"Im adoleszenten Alter wird viel ausprobiert. Das ist eine physiologische Entwicklung, die die jungen Leute durchmachen", erklärt die Suchtexpertin. Sie fühlen sich aufgrund der Dopaminausschüttung besser. Besonders anfällig für den Konsum seien psychisch auffällige Jugendliche - jene mit Angsterkrankungen, Depressionen oder ADHS. Daher sei Aufklärung an den Schulen besonders wichtig. Eigene Module wurden schon entwickelt, die in den Unterricht einfließen können. In einer guten Schule sollte das integriert sein. Und vor allem: "Es wird experimentiert. Doch wird Nikotin regelmäßig und hochfrequent konsumiert - dann sucht euch Hilfe", richtet Fischer einen Appell an die Jungen.