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Gutes und freier Markt.
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Es war dies eine Woche der Weltverbesserung ohnegleichen. Da war zunächst Marc Zuckerbergs Coup, 99 Prozent seiner Facebook Anteile einer wohltätigen Stiftung zu spenden. Nachdem man sich erst einmal die Augen gerieben hat, kamen auch schon die Fragen: Ist das nun wirklich großzügig oder nicht? Ultimatives Prestige oder echtes Anliegen? Philanthropisch oder steueroptimierend? Gut oder raffiniert? Aber vielleicht sind das die falschen Fragen. Denn es geht nicht um ein Oder. Das Wort der Woche lautet "Und". Im Und kommt das Gute heute auf die Welt.
Das zeigt sich deutlich am anderen Weltverbesserungsprojekt der Woche, der "Breakthrough Energy Coalition", die Bill Gates gemeinsam mit Barack Obama beim Weltklimagipfel in Paris vorgestellt hat. Deren Ziel lautet: Großkonzerne blockieren den Klimaschutz nicht mehr, sie wollen vielmehr daran verdienen. Die Wirtschaft soll nachhaltig, die Nachhaltigkeit rentabel werden. Die neue Formel lautet: Gutes und freier Markt. Ökonomische Effizienz und Nachhaltigkeit. Die neue Weltrettungsformel liegt in diesem unscheinbaren Und.
Man muss sich vor Augen halten, wie groß diese Verschiebung ist. Das Und soll den Gegensatz von Ökonomie und Ökologie, von Markt und Gutmenschentum überwinden. Es heißt nicht mehr Profit oder Nachhaltigkeit, sondern Profit und Nachhaltigkeit. Die Ökologie ist nicht mehr das Andere der Wirtschaft, das Gute nicht mehr das Andere des ökonomischen Erfolgs. Das ist die neue Frohe Botschaft. Das, was bislang Einspruch gegen die Ökonomie war, die "grünen Prioritäten", also Nachhaltigkeit, Emissionsreduktion, Ressourcenschonung, soll nun Teil eines erfolgreichen Wirtschaftens werden.
Das verändert nicht nur die Wirtschaft, sondern auch die Ökologie. Aus einer Hemmung soll die Ökologie zum innovativsten Teil der Wirtschaft werden, aus einer Eingrenzung zur Quelle des Fortschritts, aus einer Bremse zum Motor der ökonomischen Entwicklung. Die Ökonomie soll brummen, aber sie soll - um im Bild zu bleiben - anders angetrieben werden. Durch nützliche Investitionen wie Wärmedämmung, Solarenergie oder intelligente Stromnetze. Rettung der Umwelt durch Belebung der Konjunktur - das ist die neue große Erzählung einer ökologischen Modernisierung, der Green New Deal.
Das heißt: Nicht einmal die Weltrettung entkommt heute der Ökonomisierung. Weltverbesserung soll nicht mehr Einspruch gegen die Funktionsweise von Gesellschaft und Ökonomie sein, sondern deren Beschleunigung. Wenn die Weltverbesserung aber zum Gebot der Effizienz wird, dann braucht diese keine außer-ökonomischen Quellen mehr. Dann braucht es keinen moralischen, keinen Gegendiskurs, der Einschränkungen fordert. Dann braucht es auch keine politischen Gegenorganisationen, NGOs, Parteien. Träger der Weltverbesserung sind die Reichsten der Reichen. Das ist keine wundersame Einkehr, keine Bekehrung der Bösen. All diese Gegensätze haben sich in dieser Woche als obsolet erwiesen. Das Who is Who der Privat- und Finanzwirtschaft will heute die Welt retten und an der Weltrettung verdienen.
Das aber bedeutet, dass die Urheber eines Übels auch die Rolle des Retters übernehmen, so Peter Sloterdijk. Das Gute kommt heute scheint’s nur durch solch einen "Pakt mit dem Teufel" in die Welt. So Gott will.