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"Flexicurity" könnte die Misere am Arbeitsmarkt beenden. | Das Konzept der so genannten "Flexicurity" wird unter Sozialwissenschaftern - gleichsam als Sukkus aus den arbeitsmarkt- und sozialpolitischen Strategien der Niederlande und Dänemarks bereits seit Mitte der 90er Jahre diskutiert. Vom EU-Vorsitzland Österreich wurde Flexicurity nunmehr als "übergreifende Strategie für die Reform der nationalen Beschäftigungs- und Sozialsysteme in Europa" präsentiert.
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Kern des Konzeptes ist die Überlegung, dass Arbeitsmarktflexibilität und soziale Sicherheit durchaus miteinander kombinierbar sind (Flexicurity setzt sich aus den englischen Begriffen "flexibility" und "security" zusammen). Auf EU-Ebene drängt sich dieses Modell geradezu auf, weil sich alle nationalen Regierungen mit ihren sehr unterschiedlichen Politiken zu einem gewissen Grad damit identifizieren können - die einen eher mit Zielen der Flexibilität, die anderen eher mit Zielen der sozialen Sicherheit. Dass der Versuch unternommen wird, relativ konsequent beide Ziele zugleich zu verfolgen, blieb hingegen bisher die Ausnahme.
Als ein Musterland der Flexicurity gilt Dänemark. Die Arbeitszeitregulierungen sind hier auf eher niedrigem Niveau angesiedelt und die Arbeitsmarktflexibilität ist aufgrund überaus liberaler Kündigungsmöglichkeiten sehr hoch. Die Folge ist eine beträchtliche Häufigkeit des Wechsels von Beschäftigungs-Verhältnissen und dem gemäß eine geringe individuelle Arbeitsplatzsicherheit.
Dies wird auf der anderen Seite jedoch erstens durch vergleichsweise generöse Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung wettgemacht, was wiederum zu hoher Einkommenssicherheit führt. Zweitens wird die Beschäftigungssicherheit der Arbeitnehmer (und ihre Anpassungsfähigkeit an neue Berufsanforderungen - Stichwort "funktionale Flexibilität") durch besonders gut ausgebaute und sehr kostenintensive Programme der öffentlichen Arbeitsmarktpolitik gefördert. Eine ähnliche Wirkung hat drittens das sehr gute Netz an öffentlichen Kinderbetreuungseinrichtungen. Nicht zuletzt führt auch die Tatsache, dass Teile der sozialen Sicherungssysteme vom (vorherigen) Erwerbsstatus entkoppelt sind (steuerfinanzierte Krankenversicherung und Altergrundpension) auf Arbeitnehmerseite zu einer hohen Akzeptanz für die Flexibilität am Arbeitsmarkt.
Eine umfassend verstandene Strategie der Flexicurity würde in der Mehrzahl der EU-Länder, darunter auch Österreich, neben einer weiteren Flexibilisierung der Arbeitsmärkte zugleich einen Ausbau von Maßnahmen zur Förderung von sozialer Sicherheit umfassen. Ob der politische Wille auch dazu, und nicht primär bloß zu einer zunehmenden Arbeitsmarktflexibilisierung gegeben ist, ist jedoch fraglich. Aktuelle Reformen deuten in vielen Ländern in eine andere Richtung.
Dr. Marcel Fink ist Univ.-Assistent am Institut für Staatswissenschaft der Universität Wien.