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Die neuen Feinde der offenen Gesellschaft

Von Georg Vetter

Gastkommentare

Uns steht eine Novelle des Gleichbehandlungsgesetzes ins Haus: Künftig darf niemand aufgrund von Geschlecht, ethischer Zugehörigkeit, Religion oder Weltanschauung, Alter oder sexuellen Orientierung beim Zugang zu und bei der Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen, die der Öffentlichkeit zur Verfügung stehen, einschließlich Wohnraum, diskriminiert werden. Die Folgen können vielfältig sein: Vom Schadenersatz über Entschädigungen für erlittene persönliche Beeinträchtigung bis hin zu Strafverfahren reicht die Palette des Rechtsschutzes. Selbst Personen im Naheverhältnis - was immer das ist - werden geschützt.


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Die scheinbar hehre Intention des Gesetzgebers sei der Schutz etwa von Schwulen und Kommunisten. Die unerbittliche Konsequenz der Gleichheit vor dem Gesetz lässt mir allerdings auch andere Diskriminierungsopfer einfallen, die sich den Schutz des Gesetzes angedeihen lassen könnten: Ein Hauseigentümer, der eine Wohnung zur Vermietung inseriert, wird mit einem Tschetschenen zu kontrahieren haben, auch wenn er, moralisch alles andere als astrein, das Gras ethischer Konflikte wachsen zu hören glaubt. Eine Prostituierte, die ihre Leistungen per Internet anbietet, wird sich keinem Schwarzafrikaner verweigern dürfen, weil sie vorurteilsbehaftet meint, solche Leute nicht ausstehen zu können.

Wenn ich das Gesetz beim Wort nehme und mich nicht gemeinsam mit den vorerwähnten Diskriminierungstätern auf der Anklagebank der Gleichbehandlungskommission wiederfinden will, darf ich meine advokatorischen Dienstleistung auch einem 70-jährigen Sadomaso-Führer des Ku-Klux-Klan, der eine eingetragene Partnerschaft mit einem 18-jährigen Scientology-Anhänger möchte, nicht vorenthalten; genauso wenig einem schwulen US-Kirchenfürsten, der seine Zöglinge mit der Peitsche gezüchtigt haben soll; oder einem pädophilen Nationalsozialisten, der sich wegen seiner Andersartigkeiten unter die Opfer des Gleichbehandlungsgesetzes einreihen will.

Diese Fälle, so werden die Gesetzgeber argumentieren, hätten sie wahrlich nicht gemeint, als sie in bester Absicht ihre Antidiskriminierungsgedanken zu Papier brachten. Als Anti-Goethe werden sie Teil jener Kraft, die stets das Gute will und stets das Böse schafft. Schon Friedrich August von Hayek zerriss in "Der Weg zur Knechtschaft" die verheerenden Folgen der Gesellschaftsphantasien des konstruktivistischen Rationalismus, und Karl Popper warnte in "Die offene Gesellschaft und ihre Feinde" vor dem Zauber Platons und dessen idealen Staats.

Freiheit und Selbstbestimmung scheinen sich angesichts der totalitären Gedanken all jener, die im Namen der Gleichbehandlung in die Fußstapfen von Fjodor Dostojewskis Großinquisitor treten möchten, auf dem Rückzug zu befinden. Wir alle sind aufgerufen, den Vorboten einer neuen idealisierenden Gleichheit die Stirn zu bieten und der Freiheit die Tür aufzustoßen. Diese Vorlage darf nicht Gesetz werden.

Georg Vetter ist Rechtsanwalt in Wien.