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Die neuen Grenzen des Öffentlichen

Von Christina Aumayr-Hajek

Gastkommentare
Christina Aumayr-Hajek ist studierte Kommunikationswissenschafterin und Geschäftsführerin von Freistil-PR.
© feel image - Fotografie e.U..Felicitas Matern

Privatsphäre auf Facebook ist eine Illusion, von der man sich besser gleich lösen sollte.


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Was ist privat und was nicht? Über diese Frage stolpern immer wieder Personen von öffentlichem Interesse, jüngst auch Gesundheitsökonom Ernest Pichlbauer. Nach einer öffentlichen Podiumsdiskussion ließ er seinem Ärger auf seiner Facebook-Seite freien Lauf - und verließ damit den privaten Raum.

Bei besagter Diskussion zum Thema Elektronische Gesundheitsakte (Elga) ging es hoch her, auf Einladung der Wiener Ärztekammer diskutierten deren Vizepräsident Johannes Steinhart, Gesundheitsminister Alois Stöger und die Geschäftsführerin der Elga-GmbH über Vor- und Nachteile. Teilnehmer beschreiben noch Tage danach die Stimmung im Publikum - überwiegend Ärzte und damit Elga-Gegner - als aggressiv bis aufgehetzt. Wortspenden des Ministers begleiteten hämisches Gelächter und Zwischenrufe, eine pubertierende Schulklasse wäre nichts dagegen. Von den rund 300 Teilnehmern wollten viele mitreden, doch der Andrang sprengte den Diskussionsrahmen. Die Moderatorin, so der Eindruck, war durchaus um Ausgleich bemüht, der Abend ähnelte aber einem Tanz auf dem Vulkan. So weit, so traurig. Dass eine zivilisierte Diskussion nicht möglich war, ist kein Ruhmesblatt für die akademisch gebildete Ärzteschaft im Saal.

Das Nachspiel der Diskussion: Pichlbauer, selbst nicht anwesend, verglich in einer öffentlichen Facebook-Diskussion die Wiener Ärztekammer mit "Echten Nazis" und einem "Faschistenverein"! Denn, so sein Vorwurf, einige Stimmen pro Elga wären nicht zugelassen worden. Zwei Zeitungen griffen das Thema auf und berichteten über das Nachspiel. Pichlbauer versteht die Welt nicht mehr und fühlt sich ungerecht behandelt, schließlich sei sein Kommentar Teil einer privaten Debatte gewesen - kein Grund, von "pragmatisierten Monopolisten" zitiert zu werden.

Kurz zu den Fakten: Geschätzte 80 Wortmeldungen sprengen jede Diskussion und die Moderation kommt gar nicht umhin, einige Wortmeldungen abzudrehen. Vom Nazi-Sager distanzierte sich Pichlbauer später, vom Vorwurf der "totalitären Meinungsmache" durch die Kammer nicht. Zur Ärztekammer kann man stehen, wie man will - aber totalitär agiert sie nicht. Das Problem ist nicht, dass Pichlbauer "verbotene Worte" benutzte, sondern dass er einen völlig deplatzierten Vergleich bemühte, der die NS-Opfer und deren Angehörige verhöhnt. Und wer nicht versteht, dass die Social-Media-Plattform Facebook nicht privat, sondern ganz bewusst öffentlich ist, sollte seinen Account lieber löschen, statt sich über Bespitzelungsmethoden von Kritikern und Journalisten zu beschweren. Das Netz speichert und sieht alles, vor allem wenn Facebook-Profile öffentlich und die dazugehörigen Kommentare für jedermann nachzulesen sind.

Wer auf Facebook ist, gestaltet seine Netz-Biografie selbst, damit verdient Facebook Achtsamkeit. Man muss aufpassen und gut darüber nachdenken, was genau man von sich preisgeben will - und was nicht.

Emotionale Entgleisungen kann man sich auch auf Facebook durchaus leisten, aber dann bitte nicht über deren Öffentlichkeit beschweren.