Nach mehr als einem Jahr Mitgliedschaft in der Europäischen Union können die neuen EU-Staaten eine durchwegs positive Bilanz ziehen. Die Wirtschaftsleistung nahm zu, die Währung wurde stärker, der Handel boomte. Und die Förderungen aus Brüssel konnten die neuen Mitglieder besser nutzen als so manches andere Land. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie der britischen Economist Intelligence Unit (EIU).
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Kirchenrenovierung in Polen, Resozialisierung von ungarischen Strafgefangenen, Milliarden-Subventionen für Ostdeutschland: Aus den Brüsseler Fördertöpfen fließen jährlich knapp 50 Mrd. Euro in die EU-Staaten. Rund 10 Mrd. Euro - mehr als 2 Prozent des Bruttoinlandsprodukts - gehen an die zehn neuen Mitglieder. Und diese haben laut EIU, dem Forschungsinstitut der britischen Zeitschrift "The Economist", die Mittel besser genutzt als von den alten EU-Ländern erwartet.
"Was mich überrascht hat, war, wie gut die neuen Staaten auf die Erweiterung vorbereitet waren", erklärt Studienautorin Delia Meth-Cohn im Gespräch mit der "Wiener Zeitung". Die Vorbereitung der alten EU-15 auf die Vergrößerung der Union hingegen sei im Vergleich dazu nur oberflächlich gewesen. Dafür waren die Befürchtungen groß, die osteuropäischen Staaten seien noch nicht bereit für ihre Mitgliedschaft.
Doch ein Jahr nach dem Beitritt fällt die Bilanz durchwegs positiv aus. So schöpfen die neuen Mitglieder die Förderungen aus Brüssel fast völlig aus - was etwa Griechenland und Italien bis heute schwer fällt. Griechenland hat in den Jahren 1993 bis 1999 lediglich 45 Prozent der Mittel absorbiert. Österreich hat fast zwei Jahre gebraucht, um die Subventionen in Anspruch zu nehmen. Dafür ist Polen, das vor seinem EU-Beitritt als größtes Sorgenkind galt, schon jetzt auf dem besten Weg, die Mittel zu 100 Prozent zu verwenden.
Wachstum nicht von Dauer?
Ob die Förderungen zu dauerhaftem Wirtschaftswachstum führen, lasse sich aber derzeit noch nicht abschätzen, meint die Expertin der EIU. So wären Griechenland und Süditalien in den letzten Jahren Milliarden-Beiträge zugestanden. Doch die Länder hätten nicht genug geeignete Projekte vorweisen und abwickeln können, wodurch viel Geld unverwendet blieb. Zusätzlich hätten die Subventionen eher die Abhängigkeit und Korruption gefördert denn eine dynamischere Wirtschaftsentwicklung.
Anders stellt sich die Lage in Irland, Spanien und Portugal dar. Dort wurden die Mittel dazu verwendet, Wettbewerbsnachteile - etwa bei Infrastruktur oder Ausbildung von Arbeitskräften - zu beheben, was die Wirtschaft wachsen ließ. Dass Polen aber rund 60 Prozent der Gelder für Infrastrukturprojekte ausgibt, könnte für eine Beschleunigung des Wachstums nicht ausreichen. Überhaupt haben die neuen EU-Staaten Probleme damit, große Vorhaben zu entwickeln etwa bei der Modernisierung der Verwaltung oder Innovationsförderung.
Dennoch hätten die osteuropäischen Länder von ihrer Mitgliedschaft in der EU enorm profitiert - mehr als die EU-15 von der Erweiterung, fasst Delia Meth-Cohn zusammen. "Die wirtschaftliche Auswirkung auf alle EU-Staaten war nicht sehr groß", sagt die Forscherin. "Doch die Erweiterung änderte die Natur der Sache und die Perspektive." Neue Strukturen wurden geschaffen, alte durchgeschüttelt. Und es gibt neue Gesichtspunkte: So sei etwa durch den Beitritt Polens und dessen Einsatz für die Ukraine das Nachbarland der EU mehr ins Blickfeld geraten. Auch könnte sich laut Meth-Cohn die Art verändern, wie Geschäfte gemacht werden: Die Union würde paneuropäischer, neue Allianzen und Beziehungen würden entstehen.
Daher sieht die Expertin in den Diskussionen, die die EU-Verfassungskrise ausgelöst hat, auch Positives. "Debatten sind gut, weil sie Europa mit Leben füllen." Noch dazu habe sich die Union mit der Erweiterung verändert, und die Vielfalt werde entweder akzeptiert oder führe zu Streit. Eines sei jedenfalls klar: Das kleine gemütliche Europa sei Vergangenheit.