Zum Hauptinhalt springen

Die Neuen im Plenarsaal

Von Martyna Czarnowska

Kommentare

Der nahende Beitritt Kroatiens zur Europäischen Union machte auch Anpassungen in den EU-Institutionen selbst notwendig.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 11 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Ab Sommer werden sie ein wenig zusammenrücken müssen. Wenn nämlich die 754 Mitglieder des EU-Parlaments am 1. Juli in Straßburg zusammenkommen, können sie in dem ovalen Plenarsaal mit seinen blauen Sitzreihen offiziell zwölf neue Kollegen begrüßen. Diese werden an dem Tag auch EU-Bürger geworden sein: Ihr Land tritt als 28. Staat der Gemeinschaft bei.

Kroatiens Mitgliedschaft steht nicht nur am Ende jahrelanger Verhandlungen und Neuregelungen, die sich Zagreb teils unter Mühen abringen musste, sondern erforderte auch von der Union Anpassungen in den EU-Institutionen. Die letzten formellen Beschlüsse dazu fällen die europäischen Staats- und Regierungschefs bei ihrem Gipfeltreffen in der kommenden Woche. Damit bewilligen sie die Änderungen bei der Zusammensetzung von EU-Parlament und -Kommission. Denn die Brüsseler Behörde bekommt ebenfalls ein kroatisches Mitglied dazu: Neven Mimica wird dort für Verbraucherschutz zuständig sein, der noch in den Amtsbereich des Maltesers Tonio Borg fällt.

Ihren Tätigkeiten in Straßburg und Brüssel werden die Kroaten aber zunächst nur knappe elf Monate nachgehen. Denn im Mai des kommenden Jahres wird ein neues EU-Parlament gewählt; danach wird es 15 Abgeordnete weniger in der Volksvertretung geben. Kroatien wird - wie unter anderen Österreich - einen Sitz dort verlieren. Ob bis dahin das Interesse der Bevölkerung daran gesteigert werden kann, ist freilich fraglich. Beim Votum über ihre ersten EU-Mandatare vor wenigen Wochen fanden gerade einmal ein gutes Fünftel der Kroaten den Weg zur Urne.

*

Dennoch werden die Parlamentarier auch in naher Zukunft darauf verweisen, dass sie die einzig direkt gewählte Institution der EU sind und sich von den Ländern mehr Kompetenzen wünschen. So manchem schweben dabei die Vereinigten Staaten von Europa vor. Von der Macht eines US-Kongresses können sie jetzt allerdings nur träumen.

Einen anderen Vergleich zwischen den beiden Repräsentantenhäusern zog vor kurzem die US-amerikanische Zeitung "The Wall Street Journal". Sie brachte ihren Lesern die europäische Volksvertretung näher, indem sie ein paar Zahlen zusammenstellte. Während sich der US-Kongress aus zwei Parteien und gut 200 Mitgliedern weniger als das EU-Parlament zusammensetzt, nehmen in Brüssel sieben Fraktionen ihren Platz ein. Oder eben in Straßburg. Das ist der nächste Unterschied: Haben die Parlamente etlicher Länder einen Sitz, braucht die EU gleich drei Arbeitsorte. Sie sind auch auf drei Länder verteilt: Belgien, Frankreich und Luxemburg.

Arbeitssprachen gibt es dort gar zwei Dutzend, und dementsprechend hoch ist die Zahl der Dolmetscher. An die tausend Menschen sind damit beschäftigt, Texte oder Sitzungen in eine andere Sprache zu übersetzen. Im Kapitol in Washington gibt es solche Stellen gar nicht.

Allerdings ist die Gesamtzahl der Angestellten im US-Kongress - etwa in der Verwaltung oder als Mitarbeiter der Abgeordneten - mehr als doppelt so hoch wie im EU-Parlament: rund 14.100 Menschen.