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Die neuen Partyperser

Von Arian Faal

Politik

Die jüngere Generation ist deutlich toleranter als alteingesessene Iraner.


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Wien. "Stur können sie sein und stolz auch, aber vor allem sind sie eines: intelligent", sinnierte einmal der ehemalige österreichische Bundespräsident Rudolf Kirchschläger 1998 bei einer Veranstaltung über die Perser in Wien. Der mittlerweile verstorbene Wiener Altbürgermeister Helmut Zilk, der ebenfalls anwesend war, streute Letzteren ebenfalls Rosen und meinte gar, dass es in Wien "die Ausländer gebe und die Perser".

"Ja, ich erinnere mich genau an die Veranstaltung. Was war man doch stolz, wenn vor 15 Jahren von Persern in Österreich gesprochen wurde", berichtet Masoud F. im Gespräch mit der "Wiener Zeitung." Seit 30 Jahren lebt er in Wien. Heute ist er Pensionist. Früher war der Perser anerkannt. Er war Teil der Elite, sei es als Ingenieur, Arzt oder Steuerberater. Und man kannte sich noch untereinander. Man wusste von dem Landsmann im 7. Bezirk, der als Kinderarzt tätig war, dem umtriebigen Geschäftsmann im 4. Bezirk mit seinem Restaurant und dem Teppichhändler aus der Innenstadt. "Es gab zwar Gruppierungen, aber im Großen und Ganzen war die Community gut vernetzt", erzählt Masoud F.

Noch 15 Jahre nach Kirchschlägers Lobhudelei gegenüber der Community denken viele Österreicher an einen Arzt, Taxifahrer oder Teppichhändler, wenn das Wort Perser fällt, und an den scheidenden iranischen Präsidenten Mahmoud Ahmadinejad und den Atomstreit beim Wort Iran. Doch die in Wien rund 10.000 Menschen umfassende Community hat einen Wandel durchlebt und ist längst unüberschaubar geworden. "Früher ging ich ins Restaurant Pars und habe einmal 15 Minuten gebraucht, um alle zu begrüßen, denn ich kannte fast alle Gäste. Heute kenne ich gerade noch die Besitzer des Lokals und frage mich jedes Mal, wer denn diese Leute seien, die neu zugezogen sind", resümiert Masoud nüchtern.

Dass die Community in die Breite gegangen ist, beweist auch das soziale, kulinarische und kulturelle Netzwerk. Ende der 1990er Jahre gab es in Wien gerade mal ein halbes Dutzend persischer Lokale, Cafés und Restaurants. 15 Jahre später findet man rund 30 Gastronomiebetriebe und vier Supermärkte, die sich auf die Bedürfnisse der Iraner spezialisiert haben.

Was vom Teppichhändler übrig blieb

Mit einer Beharrlichkeit hat die junge Generation deutlich gemacht, dass die Iraner entgegen allen Klischees nicht unbedingt Arzt, Teppichhändler oder Taxifahrer werden wollen in Wien. Sie hat Internetcafés, Friseurgeschäfte oder Restaurants eröffnet oder beweist ihr Geschick als Versicherungsberater oder Party- und Eventveranstalter.

Der Taxifahrer Arash T. ist ein Hobbychronist der unterschiedlichen Generationen. Seit 15 Jahren lebt er in Wien und hat jede Immigrationswelle seiner Landsleute in die Alpenrepublik beobachtet. Jene, die 1979 mit der Islamischen Revolution als politische Flüchtlinge nach Österreich kamen. Diese seien zu 90 Prozent Akademiker, diagnostiziert er. Dann die Generation, die in den 1980er und 1990er Jahren hierhergezogen ist. Sie sahen Österreich als Durchlaufstation, um dann später weiter nach Amerika oder Kanada ziehen zu können. Und dann gebe es noch die jüngste Gruppe, die in den vergangenen Jahren nach Österreich gekommen sei.

"Dieser Generation, oftmals Kinder von Neureichen, sind Dinge wie Party, Fun, Erfolg und ein unabhängiges Leben wichtig. Ich werde sicher der Verallgemeinerung bezichtigt werden, aber schauen Sie sich das Bild an: Die ‚neue persische Partycommunity‘, darunter über 1000 Studenten, repräsentiert neben der Ärzte- und Ingenieurgruppe, die schon viele Jahre hier ist, den modernen Iran. Das sind wissbegierige Menschen, die die Freiheiten des Westens genießen", erklärt Arash T.

Vertreter der jüngsten Einwanderungswelle sehen auch deutliche Unterschiede zu den Vorgängergenerationen innerhalb der Community. "Ich würde nicht sagen, dass wir anders sind als die Iraner, die schon 20 oder 30 Jahre hier sind. Wir haben nur andere Prioritäten. Mein Sohn muss nicht Arzt oder Anwalt oder weiß Gott was werden, nur, um dem Prestige gerecht zu werden. Wichtig ist, dass es ihm Spaß macht und es Geld bringt", sagt Ashkan T., ein TU-Student, der seit fünf Jahren in Wien lebt. Den gravierendsten Unterschied ortet er in den jeweiligen Toleranzlevels der einzelnen Generationen. Zum Beispiel zum Thema Homosexualität: "Wir haben kein Problem, wenn unsere Kinder schwul sind. Das war vor wenigen Jahren noch ein großes Tabu. Wenn sie damals Perser in Wien darauf angesprochen haben, hätten sie ihnen den Hals umgedreht", resümiert er.

Botschafter eines Bildes fernab von Fanatismus

In einem sind sich Masoud, Arash und Ashkan einig. Sie haben ihre iranischen Wurzeln stets "im Gepäck" und haben durch die Repressionen in ihrer Heimat gelernt, Probleme konsequent und auch mit Augenzwinkern zu lösen. So werden Prüfungsergebnisse schon einmal mit viel Charme bei Professoren neu verhandelt, bürokratische Amtswege mit Ironie und viel Lächeln umgangen.

Auch wollen die drei Männer ein anderes Bild ihrer Heimat vermitteln, fernab von religiösem Fanatismus, Frauenfeindlichkeit und politischen Repressionen. Sie lassen sich das Land nicht schlechtreden und poltern gegen westliche Verallgemeinerungen, wonach man mit ihrer Heimat nur mittelalterliche Zustände verbindet.

"Das iPhone 5 gab es im Iran schon, als man in Wien noch nicht einmal wusste, wie viel Stück man bei der Erstlieferung bekommen würde", meint Ashkan stolz und präsentiert sichtlich stolz eine Statistik, die besagt, dass die Perser in Europa in den meisten Ländern den höchsten Akademikeranteil unter den Migranten haben und als einzige Gruppe unter den Ausländern etwas vorweisen können, wovon andere nur träumen können: Sie sprechen vier und mehr Sprachen fließend.

Wissen

(af) Während Staatsangehörige der Islamischen Republik Iran bei den Parlamentswahlen im Jahre 2012 in Österreich nicht die Möglichkeit hatten, ihre Stimme abzugeben, können sie dies bei der diesjährigen Präsidentschaftswahl am 14. Juni tun. Bei Präsidentschaftswahlen können jedoch Auslandsiraner ebenfalls wählen. Schon bei der Präsidentschaftswahl 2009 war eine Stimmabgabe in Wien möglich. Iranischen Medien zufolge hatten damals 1933 Wähler in Wien und 248 Personen in Graz ihre Stimme abgegeben. Derzeit leben hierzulande laut Recherchen der Medien-Servicestelle Neue Österreicher/innen (MSNÖ) bis zu 20.000 Menschen mit iranischen Wurzeln. Die Statistik Austria weist 13.611 in Österreich lebende Personen (Stichtag: 1. Jänner 2011) aus, die im Iran geboren wurden. 9284 davon leben in Wien. Insgesamt 5830 Personen in Österreich besitzen die iranische Staatsbürgerschaft. Die iranische Community ist in Österreich durch mehrere Vereine vertreten. Zu den bekanntesten zählen die "Österreichisch-Iranische-Ärztegesellschaft" oder der "Verein Iranischer Ingenieure". Diese Vereine organisieren Fachtagungen, Feste, Networking-Programme und unterstützen ihre Mitglieder. Zudem gibt es auch Vereine, die sich auf Menschen- und Frauenrechte oder Kunst- und Kulturveranstaltungen konzentrieren. In den vergangenen Jahren formierten sich außerdem verschiedene Vereine unterschiedlichster politischer Gruppierungen.