)
SPÖ-Burgenland auf neuem Kurs mit blauem Beigeschmack.|Parteijugend wendet sich gegen Niessl.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 9 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Eisenstadt. "Die Sozialdemokratie hat sich verändert", sagte Burgenlands Landeshauptmann Hans Niessl bei der Präsentation seines neuen Regierungsteams am Montag. Zumindest im Burgenland hat sich die Sozialdemokratie grundlegend verändert und stürzt jetzt die Bundespartei in eine tiefe Sinnkrise. Denn was für Wiens Bürgermeister Michael Häupl "denkunmöglich" und für Bundeskanzler Werner Faymann "keine Option" ist, ist im Burgenland seit Freitag Tatsache - eine Koalition mit der FPÖ.
Nach der Vorstellung des Regierungsprogramms am Freitag hat Niessl nun auch den roten Teil der Landesregierung vorgestellt. Er selbst wird das Bildungsressort übernehmen. Die 31-jährige Wirtschaftswissenschafterin Astrid Eisenkopf übernimmt das Ressort Umwelt und Jugend. Der prominenteste Neuzugang ist Norbert Darabos, ehemaliger Verteidigungsminister und SPÖ-Bundesgeschäftsführer. Er ist künftig für Gesundheit und Soziales sowie Asyl verantwortlich. Helmut Bieler (Kultur und Finanzen) und Verena Dunst (Frauen, Familie, Dorferneuerung) ziehen ebenfalls wieder in die Landesregierung ein. Neuer Landtagspräsident wird der bisherige SPÖ-Klubobmann Christian Illedits.
Die Freiheitlichen haben ihr Regierungsduo schon am Freitag vorgestellt. FPÖ-Landeschef und Ex-Polizist Johann Tschürtz übernimmt das Sicherheitsressort und wird Niessls Stellvertreter. Alexander Petschnigg übernimmt Tourismus und Wirtschaft.
Sozialdemokratie mit blauen Nuancen
Diese neue Sozialdemokratie, die Niessl nun einläutet, findet sich auch im 38 Seiten langen Regierungsübereinkommen wieder. Und dieses hat in vielen Punkten auch eine blaue Handschrift. Beim Thema Sicherheit etwa, dem Ressort Tschürtzs. So soll die Grenzüberwachung gestärkt werden, mehr Videoüberwachung und mehr Polizeipräsenz sind vorgesehen. Und: Alles, was ein Blaulicht hat, muss im Ernstfall innerhalb von 15 Minuten vor Ort sein, also Feuerwehr, Rettung, Polizei. Auch beim Thema Asyl, dem Ressort Darabos’, wird die blaue Handschrift erkennbar. "Im Burgenland wollen wir im Einklang mit den Gemeinden weiterhin möglichst auf kleine Einheiten bei der Unterbringung von Asylsuchenden setzen", steht im Regierungsprogramm. Sprich: Möglichst wenige Asylwerber, schnelle Abschiebeverfahren, sogar von einer EU-weiten Asylquote ist die Rede, die die Kompetenzen eines Bundeslandes sprengt.
Außerdem erteilt das Papier dem amtierenden Verteidigungsminister eine Absage, auf dem Areal der Kaserne Bruckneudorf Flüchtlinge unterzubringen, weil "die angesprochene verträgliche Relation nicht gewährleistet werden kann".
Die Entwicklungen im Burgenland sorgen nicht nur auf Bundesebene für Diskussionen, sondern seien symptomatisch "für eine tiefe Sinnkrise", in der die SPÖ gerade stecke, sagt der Politikwissenschafter Peter Hajek. Mit Ausnahme der Ausländerthemen werde es immer schwieriger, sich von den Freiheitlichen abzugrenzen. Denn diese setzen ebenfalls stark auf soziale Themen und wettern gegen Ungleichheit und Armut.
Während ein Großteil der burgenländischen SP-Funktionäre nicht ausdrücklich gegen Gespräche mit den Freiheitlichen sind, habe sich die Zustimmung für eine rot-blaue Koalition unter den SPÖ-Wählern in Grenzen gehalten, erklärte Günther Ogris vom Forschungsinstitut Sora. Aktuelle Zahlen darüber, wie glücklich die SPÖ-Wähler mit der violetten Revolution im Burgenland sind, gibt es nicht. Rund um die Nationalratswahlen 2013 sei die Zustimmung für eine rot-blaue Koalition, trotz ähnlicher Wählerschichten, bei den SP-Wählern "sehr niedrig", erklärt Sylvia Kritzinger, Vorständin des Methodenzentrums der Universität Wien und Wahlstudienleiterin. Anders als FPÖ-Wähler übrigens, die können einer Koalition mit den Sozialdemokraten mehr abgewinnen.
Jugend ist böse, ÖVP verhandelt Opposition
Indes hat sich die Sozialistische Jugend (SJ) Burgenland am Montag doch noch gegen die Koalition mit den Freiheitlichen ausgesprochen. Kilian Brandstätter musste am Wochenende als Vorstand zurücktreten, weil er vergangene Woche der Zusammenarbeit mit den Freiheitlichen zugestimmt hatte. Seine Nachfolgerin Silvia Czech sagte am Montag: "Freiheitliche in der Regierung, das widerstrebt unseren Grundsätzen."
Auch die ÖVP Burgenland ist, aus anderen Gründen, mit der neuen Regierung unglücklich. "Es herrscht Krisenstimmung. Man muss sich jetzt auf die Oppositionsarbeit vorbereiten", sagt ein burgenländischer ÖVP-Funktionär, der nicht namentlich genannt werden will. Die Krisenstimmung herrscht wohl auch deshalb, weil die ÖVP selbst nie eine schwarz-blaue Koalition ausgeschlossen hat und gerne damit den Landeshauptmann gestellt hätte. Deshalb habe man nun die Grünen und die Liste Burgenland (LBL) zu Oppositionsgesprächen eingeladen, um in machen Punkten geschlossen gegen die Landesregierung aufzutreten.