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Was im geheimnisumwitterten Regierungsviertel Zhongnanhai passiert.
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Peking. Gäbe es nicht die unzähligen Sicherheitsleute, die mit schneidigen Gesten den Weg weisen - man könnte sich leicht verirren in der Großen Halle des Volkes an der Westseite des Tian’anmen-Platzes. Über 170.000 Quadratmeter misst die im neoklassizistischen Stil gehaltene Repräsentationsstätte, die 1958 in nur zehnmonatiger Bauzeit errichtet wurde. In den 300 Sälen und Büroräumen wird dieser Tage die neue chinesische Führung gewählt, die 2000 Delegierten schreiten dabei über weinrote Teppiche und durch endlose Flure, vorbei an riesigen Wandgemälden, die glühende, rote Sonnen zeigen. Der Ort mag geschichts- und symbolträchtig sein, jedoch: Entschieden wird hier nichts.
Das passiert in erster Linie
im geheimnisumwitterten Regierungsviertel Zhongnanhai, das sich etwas weiter westlich neben der Verbotenen Stadt befindet. Der Eingang ist leicht zu finden: Das Xinhuamen, das "Tor des neuen China", wird umrahmt von den
Parolen "Lang lebe die Kommunistische Partei" und "Lang leben
die unbesiegbaren Mao-Zedong-Ideen".
Doch ähnlich wie einst in der Verbotenen Stadt darf hier kein Normal-Sterblicher hinein: Rote, hohe Mauern schirmen die Staatslenker ab, vor dem schwerbewachten Komplex kontrollieren bewaffnete Sicherheitskräfte und versteckte Kameras überwachen jeden Schritt in Richtung des chinesischen Allerheiligsten. Das Hauptquartier der Kommunistischen Partei wie auch der Regierungssitz befinden sich auf diesem imperialen Gartengelände, hier laufen alle Fäden in China zusammen. Und während draußen der Verkehr tobt, soll es im Inneren geradezu gespenstisch ruhig sein. Das passt zur Arbeitsweise des Ständigen Ausschusses des Politbüros, das seine Entscheidungen fast immer im Konsens trifft. Verschwiegene Parteigeschichte wird auch im "Jingxi" (Westhotel) geschrieben, das sich im Westen Pekings befindet: Hier treffen sich die mächtigsten Funktionäre unter höchster Geheimhaltung zu ihren Klausuren, auch die entscheidenden Gruppensitzungen abseits des Parteitages finden hier statt. Ein ganzes Geschwader schwarzer Audi A6 Limousinen parkt momentan vor dem Haus, das von übereifrigen Securitys beschützt wird - wer hier Fotos machen will, hat Glück, wenn er anschließend nur seine Kamera los ist.