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Die Neuentdeckung Amerikas

Von Herbert Hutar

Wirtschaft

Finanzieller Nutzen zählt am riesigen US-Markt - Qualität allein reicht nicht.


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Wien/New York. Der neue, kräftig brummende Exportmotor für die schwächelnde europäische Wirtschaft ist Nordamerika. Das zeigt auch der jüngste Konjunkturtest des Wirtschaftsforschungsinstitutes (Wifo) für Österreich. Vom Export getragen sei die verhaltene, aber doch merkbare Konjunkturerholung, heißt es da. Aber es sind nicht Exporte nach Deutschland, wie auf den ersten Blick zu vermuten wäre, sondern es sind die Exporte nach Nordamerika, vor allem in die USA. Sie stiegen in den ersten fünf Monaten um 4,9 Prozent, nach Deutschland sind die Ausfuhren hingegen um 1,5 Prozent gesunken. Dabei ist das bereits eine Verlängerung des Trends aus dem Vorjahr, als die Lieferungen in die USA mit plus 8,6 Prozent auf 6,9 Milliarden Euro gestiegen sind. Die USA sind nach Deutschland und Italien der drittgrößte Handelspartner Österreichs.

Billige Energie als Vorteil

Spektakulär war die Entscheidung der Voestalpine AG, in Texas für gut eine halbe Milliarde Euro eine Direktreduktionsanlage zu errichten, die Eisenschwamm erzeugen wird, ein Vormaterial für die Rohstahlerzeugung. Ein entscheidender Vorteil: billiges Erdgas. Billige Energie gilt als Motor für die Re-Industrialisierung des Landes, dessen Wirtschaft zuletzt eher von Hochtechnologie, vom Finanzsektor sowie vom privaten Konsum dominiert wurde. Der US-Markt ist attraktiv: Es locken die Größe des Marktes und geringe staatliche Regulierungen, gute Gewinnchancen, hohe Rechtssicherheit. Das Wachstum wird bis 2015 jeweils knapp unter der 2,5-Prozent-Marke liegen. Trotz diverser Baustellen bei der Krisenbewältigung, wie hohe Staatsverschuldung, gilt das Wachstum als robust.

"Klotzen, nicht kleckern"

Christian Kesberg, Österreichs Wirtschaftsdelegierter in New York, meint allerdings, dass auch Fallen drohen, die in der Natur der Amerikaner und des Marktes zu suchen sind: "Der Markt ist nicht groß, er ist riesig", sagt er und veranschlagt schon einmal gehobene fünfstellige Summen für Marktstudien, Messebeteiligungen und den Aufbau eines Vertriebsapparates.

Die USA sind ein saturierter Markt, es herrscht starke Konkurrenz, die Eintrittskosten sind daher hoch. "Klotzen, nicht kleckern", empfiehlt Kesberg. "Steuerberater und Anwälte sind unvermeidbar, haben aber oft persönliche Netzwerke, die dem Klienten nützen", heißt es im Informationsblatt der Wirtschaftskammer. Und dem Kunden muss sofort klargemacht werden, was sein unmittelbarer finanzieller Nutzen ist, Qualität allein anzubieten reicht nicht.

Ein Beispiel ist die Vorarlberger Firma Getzner, die schwingungsdämpfende Komponenten aus Kunststoff für Bahntrassen ebenso anbietet wie für Gebäude. Geschäftsführer Jürgen Reinalter berichtet: "Bei zwei Großprojekten in New York, wo Luxuswohnungen in Wolkenkratzern über U-Bahn-Schächten errichtet wurden, kamen wir nur deswegen zum Zug, weil wir dem Projektentwickler klarmachen konnten, dass er in den unteren Stockwerken höhere Preise verlangen kann, wenn wir die Vibrationen und Schwingungen ausreichend dämpfen können."

Das Vorarlberger Unternehmen Alpla, Weltmarktführer bei Plastikflaschen und Verschlüssen für Duschgel über Motorenöl und Waschmittel bis hin zur Limonade, beliefert in eigenen Werken jeweils an Ort und Stelle den Konsumgüterriesen Procter & Gamble. Der Grund: Die Plastikflaschen sind so exakt gefertigt, dass sie in den Abfüllanlagen nur einen minimalen Ausschuss verursachen und damit deutlich Kosten sparen.

Kesberg verweist auf die Liste österreichischer Unternehmen, die in der Neuen Welt erfolgreich Fuß gefasst haben. Da zeigt es sich, dass nicht nur Red-Bull-Dosen, Glock-Pistolen und Autos aus der Magna-Schmiede in Graz bei den Amerikanern gefragt sind: Schoeller Bleckmann beliefert die Ölindustrie mit Präzisionsrohren, Rosenbauer liefert Feuerwehrautos, der Motorenentwickler AVL ist mit Testgeräten in der Autoindustrie verankert. Agrana baut ein viertes Werk für Fruchtzubereitungen für Molkereien, für die Backwaren- und Eiscremeindustrie. Fast 200 österreichische Firmen sind auf dem US-Markt präsent, sie beschäftigen in ihren US-Niederlassungen mehr als 30.000 Menschen.