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Die Nischenbesetzer aus Österreich

Von Peter Muzik

Wirtschaft

Einige heimische Firmen haben sich unauffällig zu Global Players gemausert. | Internationale Präsenz soll noch stärker werden. | Erweiterung der Absatzmärkte nach Krisenende. | Wien. "In meinem Reich geht die Sonne nicht unter." Der Vorarlberger Industrielle Günther Lehner befindet sich in einer ähnlichen Situation wie Kaiser Karl V (1500-1558, dem der - historisch übrigens nicht belegte - Ausspruch zugeschrieben wird). Im 21. Jahrhundert ist der 50-jährige Chef der Alpla Werke Alwin Lehner GmbH & Co KG aus Westösterreich mit seinem auf Kunststoffflaschen und -dosen spezialisierten Firmenimperium ebenfalls weltweit präsent.


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Das 1955 gegründete Unternehmen hat sich Schritt für Schritt, jedenfalls ziemlich unauffällig, auf den Auslandsmärkten festgesetzt und beliefert internationale Riesen wie Unilever, Procter & Gamble, Coca Cola oder LOréal.

Mit einem Umsatz von 2,4 Milliarden Euro zählt Alpla längst zu Österreichs heimlichen Multis.

Günther Lehners südwestlich von Bregenz - in Hard - ansässiges Headquarter ist der rot-weiß-rote Mittelpunkt einer aus 122 Produktionsstätten bestehenden globalen Industriegruppe. Fast 100 Werke wurden in den letzten 15 Jahren errichtet, 36 stehen in Lateinamerika. Der alemannische Familienbetrieb ist in 37 Staaten präsent und beschäftigt rund 10.000 Mitarbeiter.

Lehner, der auch die Charterfirma Alpla Air managt, gehört damit zu einem erlesenen Zirkel ziemlich unbekannter heimischer Konzernstrategen, die im vergangenen Jahrzehnt für eine beachtliche Internationalisierungsoffensive gesorgt haben und zugleich für eine spektakuläre Erfolgsgeschichte im Export stehen. Zwar ging zuletzt auch an ihm das Minus von mehr als 20 Prozent bei Österreichs Ausfuhren nicht spurlos vorüber, aber auf sein Erfolgskonzept hat das ebenso wenig eine Auswirkung wie bei fast allen seinen Kollegen.

Standorte in mehrals 100 Ländern

Der Expansionsdrang dieser Paradebetriebe, die ähnlich wie der Stahlgigant Voestalpine weltweit aufgestellt sind, scheint ungebrochen zu sein. Ein gutes Beispiel ist Peter Pichler: Der Vorstandsboss der Besteck-Herstellers Berndorf AG musste 2009 nach drei profitträchtigen "Wahnsinnsjahren" rund 25 Prozent minus wegstecken und ein Viertel der ehemals 2600 Mitarbeiter abbauen - dennoch hält er eine "noch stärkere Internationalisierung" für ein absolutes Muss.

In Pichlers Zukunftsplänen spielen neben Indien und China auch eher noch unentdeckte Regionen wie Usbekistan, Turkmenistan, Südamerika oder Afrika eine Rolle: "Wir werden dort nicht nur als Verkäufer auftreten, sondern auch vor Ort produzieren."

Die in Familienbesitz befindliche Greiner Group im oberösterreichischen Kremsmünster, deren Exportquote rund 80 Prozent ausmacht, schwört längst auf fremde Märkte: Greiner, Spezialist für Schaum- und Kunststoffe, ist derzeit an 117 Standorten rund um den Globus mit Produktionsstätten und Vertriebsfirmen engagiert, um sich optimal auf Marktbedürfnisse und Kundenanforderungen einstellen zu können.

Die Greiner Gruppe erzielte zuletzt einen konsolidierten Umsatz von rund einer Milliarde Euro und beschäftigt 7800 Mitarbeiter.

Mit einem Umsatz von etwa 500 Millionen Euro halb so groß wie Greiner, aber ebenfalls ein Global Player aus Oberösterreich ist die Rosenbauer International AG. Als einer der weltweit führenden Hersteller von Feuerwehrfahrzeugen produziert das Leondinger Unternehmen nach europäischen sowie US-Normen gleich auf drei Kontinenten, unter anderem in Singapur, Spanien, Deutschland und den USA. Es ist in mehr als 100 Ländern permanent vertreten und bringt es auf einen Exportanteil von 88 Prozent.

Die auf Bahnbaumaschinen spezialisierte Plasser & Theurer GesmbH wiederum unterhält ein internationales Firmennetzwerk, das vom Werk Linz über London und Montreal bis Rio de Janeiro, Hongkong und Tokyo reicht. Im Vorjahr lieferte das 3000 Mitarbeiter zählende Unternehmen 14.000 Großmaschinen in 104 Länder. Ebenso international aufgestellt ist der Salzburger Kranhersteller Palfinger, der bei Lkw-Knickarmkränen mit über 30 Prozent Marktanteil die weltweite Nummer eins ist. Das multinational ausgerichtete Unternehmen hat sich in 125 Staaten mit mehr als 1500 Vertriebs- und Servicestützpunkten festgesetzt, was eine 95-prozentige Exportquote möglich macht.

Auch eine Reihe anderer Industriefirmen beweist, dass globale Präsenz längst eine Selbstverständlichkeit sein muss. Der in Wien beheimatete Feuerfest-Weltmarktleader RHI produziert an 32 Standorten in Europa, China, Südafrika, USA, Kanada sowie Lateinamerika und ist weiters in mehr als 70 Ländern mit Vertriebsgesellschaften engagiert.

Noch eine Nummer größer ist die steirische Maschinenfabrik Andritz: Sie bringt es in aller Welt auf 57 Produktionsstätten und rund 120 Tochtergesellschaften, die für Service und Vertrieb zuständig sind. Ihre 13.000 Beschäftigten werken beispielsweise auch in China, Indien, Malaysia, Singapur, Schweden, der Slowakei, in Deutschland oder Mexiko. Konzerneigene Forschungs- und Entwicklungsabteilungen finden sich in Finnland, Frankreich, der Schweiz und den USA. Andritz-Boss Wolfgang Leitner, der in den vergangenen zehn Jahren dank unermüdlicher Akquisitionen ein stetiges ein Wachstum von 17 Prozent pro Jahr schaffte, verbringt daher mehr Zeit im Flieger als in seinem Grazer Office.

Marktzutritte wichtiger als billige Herstellung

Krise hin, Krise her: An der internationalen Offensive möchte so gut wie kein Firmenchef rütteln - auch wenn da oder dort Einsparungspotenziale genützt werden müssen. Wer heutzutage nicht über den rot-weiß-roten Tellerrand hinauszuschauen bereit ist und nicht auf kostengünstigere Produktionen außerhalb Österreichs setzt, der wird, wie es ein Vorstandsdirektor drastisch formuliert, "in Zukunft einfach keine Chance zum Überleben haben". Laut einer Erhebung der Oesterreichischen Nationalbank (OeNB) unter Investoren sind Marktzutritt und Absatzsicherung die deutlich wichtigeren Motive als niedrigere Arbeitskosten.

Die Angst vor der Abwanderung von Arbeitsplätzen ist also kein Grund zur Panik, was sich an diversen Beispielen zeigt: Die auf Gleitlager, Sinterformteile und Reibbeläge spezialisierte Miba-Gruppe etwa beschäftigt noch rund 60 Prozent ihrer 2700 Mitarbeiter in Laakirchen, Vorchdorf oder Roitham. Der Rest werkt allerdings schon in den Miba-Werken in Brasilien, China, den USA und der Slowakei.

Red Bull und Wolfordsind weltweit bekannt

Der Strumpf- und Dessoushersteller Wolford wiederum produziert nicht nur in Bregenz, sondern auch in Macao, Irland und Schweden. Er stützt sich weltweit auf 14 Tochterfirmen und vertreibt seine Produkte in etwa 65 Ländern über eigene Boutiquen und Handelspartner - der Aktionsradius reicht von Belgien über Großbritannien bis in die USA und Kanada.

Wolford ist damit zu einer der wenigen international bekannten Marken Österreichs geworden - ähnlich wie der Energy Drink Red Bull, dessen weltweiten Absatz der Unternehmer Dietrich Mateschitz mit insgesamt 51 Auslandsgesellschaften pusht. Red Bull ist laut European Brand Institute fast 13 Milliarden Euro wert und damit die wertvollste Marke Österreichs. Ohne Auslandsgeschäft wäre Red Bull indes bloß ein unbedeutender Saftladen.

Direktinvestitionen im Ausland

Laut Statistik Austria werden 4300 im Ausland ansässige Filialen von österreichischen Unternehmen kontrolliert. Die meisten Direktinvestitionen finden immer noch in Deutschland statt. Nummer eins sind Österreichs Investoren in Slowenien, Bosnien und Herzegowina, Kroatien, Rumänien und Bulgarien.

In den letzten beiden Jahren wurde die rot-weiß-rote Auslandsoffensive allerdings massiv schwächer: 2008 gab es beispielsweise in Osteuropa gleich um 90 Prozent weniger Deals, womit das langjährige Übernahmefieber vorbei war. 2009 sackte das Volumen der Mergers & Acquisitions-Transaktionen Österreichs im CEE-Raum erneut um 96 Prozent ab. Heuer dürfte das krisenbedingte Tief bei Zukäufen zu Ende gehen und die Investitionslust heimischer Betriebe trotz schwieriger gewordener Projektfinanzierung wieder wachsen: Für den Auftakt sorgte der Vorarlberger Logistik-Konzern Gebrüder Weiss, der kürzlich an der deutschen Spedition Diehl 25 Prozent übernahm.

Aufbruchsstimmung nach der Krise

Der börsenotierte Viskosefaserkonzern Lenzing wiederum, der mit 70 Gesellschaften auf allen Kontinenten vertreten ist, steht am Sprung nach Indien, wo er ein Werk mit einer Kapazität von anfangs 60.000 Tonnen errichten möchte.

Auch in vielen anderen Chefetagen ist Expansion wieder ein Thema: Der Kartonhersteller Mayr Melnhof hält 500 Millionen Euro für Zukäufe bereit, der Handelskonzern Spar Österreich rüstete sich bereits im September mit einer Anleihe für weitere Expansionsschritte, und auch Rivale Rewe International zeigt Appetit nach baldigen Akquisitionen im Ausland.

Auch die Bosse von Andritz, Strabag oder der Vienna Insurance Group, aber auch kleinerer Unternehmen wie S&T oder Brain Force haben bereits avisiert, dass sie etwas im Schilde führen und mit Auslandszukäufen wachsen möchten. Der bereits international tätige Glücksspielkonzern Novomatic hat sich entschieden, 100 Millionen Euro im heurigen Jahr in Italien zu investieren.