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Die Nummer 1 von Athen will die Stadt in neuem Glanz strahlen lassen

Von Veronika Gasser

Europaarchiv

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Sie schwebt in die Empfangshalle des Rathauses in weitem Gewand, wie eine griechische Göttin. Dora Bakoyannis ist die erste Bürgermeisterin und somit die Nummer 1 von Athen. Allein durch ihre Größe von 1,84 Meter ist sie eine imposante Erscheinung. Diesen Effekt, der ihr natürliche Autorität verleiht, kostet sie weidlich aus. Dass sie 20 Minuten zu spät zum Interview erscheint, darf die Gäste aus Österreich nicht stören. Vielmehr muss jeder Journalist froh sein, überhaupt eine Audienz bei der Frau Bürgermeister zu bekommen. Da sie in München studiert hat, kann sie in perfektem Deutsch mit bayrischem Akzent antworten.

Die Athener nennen sie "Dora", sie gilt in Griechenland als beliebsteste Politikerin. Die 48-Jährige ist die Tochter des ehemaligen konservativen Regierungschef Konstantin Mitsotakis und dadurch von klein auf politisch geschult. Sie war seine Assistentin und später Kulturministerin. Vor 15 Jahren, als ihre zwei Kinder noch klein waren, wurde ihr Mann, der rechte Politiker Pavlos Bakoyannis, auf der Straße erschossen. Auch sie war schon Ziel eines Attentats.

Seit einem Jahr ist sie im Amt. Als Konservative hat sie mit der sozialistischen Regierung unter Costas Simitis zu kämpfen. Doch acht Monate vor den Olympischen Spielen 2004 ist sie dafür verantwortlich, dass in Athen alles reibungslos läuft, und somit auf die Zusammenarbeit mit der Regierung angewiesen: Zwischen den Zeilen lässt sie durchklingen, dass sie manchmal nicht zufrieden ist.

Athen soll zumindest nach außen in neuem Glanz erstrahlen. Sie nennt es "Facelifting". Doch es gibt Probleme: So war vorgesehen, dass mehr als 1.000 Wohnhausfassaden renoviert werden. Die Hausbesitzer bekommen dafür fast die halben Kosten ersetzt allerdings erst im Nachhinein. Doch bisher läuft das Programm nur stockend an, erst 100 Hausbesitzer haben sich zum Mitmachen entschlossen, die anderen haben Angst, dass ihnen das Geld nicht refundiert wird. Via Zeitungen wird jetzt für das Programm geworben. "Ich liebe Farben". Wegen dieser Leidenschaft lässt die Bürgermeisterin ihre Metropole mit Pflanzen und Blumen schmücken. 10.000 Bäume werden bis Juli gepflanzt sein, 3.800 stehen schon. Dazu kommen noch 25.000 Büsche und 500.000 Blumen. Doch nicht nur mit Schönheit, auch mit Kultur will Bakoyannis die Touristen locken. So soll das Veranstatlungsprogramm keinen Wunsch offen lassen. Und zur Akropolis führt nun eine neue Promenade. Wer weniger von alten Sehenswürdigkeiten hält, für den hat Athen auch anderes zu bieten. "Die Stadt, die nicht schläft, hat Lokale mit gutem Essen und Musik, die auch zum Tanzen einlädt." Doch bekanntlich reicht dies den vergnügungssüchtigen Touristen alleine nicht. Sie wollen rundum bedient werden.

Prostitution und organisierter Frauenhandel sind zwei Probleme, die vor Olympia an Bedeutung gewinnen und die Bakoyannis nicht vom Tisch wischen kann. "Der illegale Frauenhandel ist meine größte Sorge. Sobald wir etwas davon erfahren, werden wir einschreiten." Unter den Prostituierten regt sich Widerstand: Erst vergangene Woche haben 50 von ihnen für mehr Freiheit "bei der Ausübung ihres Gewerbes während der Olympischen Spiele" protestiert. Sie wittern in dem Spektakel auch ein gutes Geschäft für sich. Bisher konnten die Frauen unbehelligt ihrem Gewerbe nachgehen, doch nun will die Stadt ein Gesetz erlassen, dass dies nur noch jenen erlaubt, die über eine offizielle Lizenz verfügen. Bakoyannis hat sichergestellt, dass Athen ab März 700 zusätzliche Polizisten bekommt, derzeit sind es nur 100. Vor allem Parksünder müssen mit einem radikalen Bestrafungsprogramm rechnen. "Die Polizisten kosten die Stadt zwar mehr Geld, bringen es aber wieder zurück."

Die Zeit ist um. Nur eine halbe Stunde gewährt die Bürgermeisterin den Fragenden, dann erhebt sie sich, schwebt wieder davon und lässt ein Dutzend staunender Gesichter hinter sich.