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"Sage mir, Muse, die Taten des weit gewanderten Mannes. Welcher so weit geirrt, nach der heiligen Troja Zerstörung." Mit diesen Worten beginnt Homers Odyssee. Der griechische Regierungschef verpackte das Hilfsansuchen seines Landes in einen Vergleich: Die Griechen erwartet eine neue Odyssee - immerhin kennen sie den Weg nach Ithaka.
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Der Vergleich ist gut gewählt, denn bevor sich Odysseus nach Hause aufmachte, vergnügte er sich sieben Jahre lang mit der Zauberin Kalypso auf deren Insel. Auch die Griechen haben sich jahrelang vergnügt. Fehlende Wettbewerbsfähigkeit wurde ausgeglichen, indem Arbeitsuchende in den öffentlichen Dienst aufgenommen wurden. Fast ein Viertel aller griechischen Beschäftigten arbeitet für den Staat. Um zu Einnahmen zu kommen, schnalzten die Griechen die Preise in ihren Tourismus-Hochburgen hinauf. Die Folge: Immer mehr Sommerurlauber wichen in die Türkei aus. In den vergangenen neun Jahren stiegen in Österreich die Löhne um 26 Prozent, im öffentlichen Dienst der Hellenen um 110 Prozent.
Um die Misswirtschaft zu verbergen, fälschte die Regierung in Athen die Statistiken, wo es nur ging. Fazit: Für 2009 musste das Budgetdefizit von knapp über 6 Prozent auf nun 14 Prozent angehoben werden.
Nun beginnen die Irrfahrten, denn eines ist sicher: Um das 80-Milliarden-Euro-Desaster zu beenden, steht Griechenland vor dramatischen Einschnitten. Nicht nur das Budget muss saniert werden, die gesamte Volkswirtschaft muss neu organisiert, Jobs im privaten Sektor müssen geschaffen werden. Odysseus brauchte insgesamt 20 Jahre, um nach Hause zu kommen. Recht viel schneller werden die Griechen ihr Land auch nicht umkrempeln können.
Die EU und der Währungsfonds werden den Götterrat spielen. Doch in deren Kreis sitzen Länder (Irland, Portugal, Spanien, Italien, Belgien), die in der Vergangenheit ebenfalls weit über ihre Verhältnisse gelebt haben. Das Ziel des Odysseus hieß Ithaka. Das Ithaka Europas heißt: Kooperation. Nur wenn alle an gemeinsamen wirtschaftspolitischen Zielen festhalten, kann die Euro-Krise gemeistert werden. Wenn nicht, erblicken andere EU-Länder im heutigen Griechenland ihre eigene Zukunft.