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Die Oligarchin von Kitzbühel

Von Peter Muzik

Wirtschaft

Die Moskauer Baugruppe verliert ihren Förderer. | Die Jet-Set-Russin setzt auf Österreich. | In Kitzbühel wird größere Villa gesucht. | Moskau/Kitzbühel. Am 14. September hatte sie Dimitri Medwedew auf ihrer Firmen-Homepage noch zum Geburtstag gratuliert und ihn als "starken und weisen Politiker" bezeichnet.


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Exakt zwei Wochen später setzte der russische Präsident ihren Ehemann, Juri Luschkow, als Bürgermeister von Moskau ab. Jetzt muss sich Elena Baturina, 47-jährige Chefin eines russischen Firmenkonglomerats, auf turbulente Zeiten gefasst machen. Die schwergewichtige Geschäftsfrau, die vom US-Magazin "Forbes" kürzlich auf 2,9 Milliarden Dollar eingeschätzt wurde, wird sich ohne ihren Protegé wohl schwer tun, weiterhin eine marktbeherrschende Rolle zu spielen.

Als Präsidentin und 99 Prozent-Eigentümerin der Moskauer Unternehmensgruppe Inteco ist Baturina in Österreich längst keine Unbekannte: Sie besitzt hier mehrere Stiftungen und Firmen und ist seit kurzem Eigentümerin eines Fünf-Sterne-Hotels in Kitzbühel. Sie hält sich obendrein mehrmals pro Jahr an ihrem Tiroler Zweitwohnsitz auf, wo sie die dortige Polit-Prominenz und den lokalen Jet-Set gerne zu festlichen Partys bittet. Auch wenn ihr bislang dank bester Beziehungen zu russischen Machtzirkeln rasch gewachsener Konzern laut Firmensprecher Gennady Terebkov nur zehn Prozent des Geschäftsvolumens im Ausland abwickelt, könnte Österreich künftig in ihrer Lebensplanung eine zentrale Rolle spielen.

Baturina begann 1991 gemeinsam mit ihrem Bruder Viktor in Moskau Einweggeschirr und Plastikmöbel zu produzieren. Erstmals fiel sie auf, als sie den Auftrag bekam, das größte Fußballstadion der Stadt mit Schalensesseln auszurüsten. 2001 kaufte sie ein Moskauer Unternehmen, das Baumaterialien für Plattenbauten produziert, und konzentrierte sich fortan auf die Bau- und Immobilienbranche. Schlag auf Schlag ging es weiter: Sie baute ein Zement-Imperium auf, erwarb die Mehrheit an der Russischen Bodenbank und legte sich eine 50.000 Hektar große Farm im Süden Russlands zu. Dazu kam ein Gestüt in Kaliningrad, denn Pferde waren immer schon ein Hobby Baturinas, die mittlerweile Präsidentin des russischen Reitsportverbandes wurde.

Der steile Aufstieg war möglich, weil ihr um 27 Jahre älterer Mann als Moskaus Bürgermeister das Quasi-Monopol im Immobilienbereich hatte. Seine Vision war stets gewesen, 40 Prozent der Stadtfläche bis 2020 umzuwandeln und der Metropole Weltstadt-Flair zu verpassen.

Eine Spezialistin für Moskauer Protz-Bauten

Luschkow ließ rund 400 alte Gebäude, die teilweise aus dem 17. Jahrhundert stammten, abreißen und ersetzte sie durch protzige Stahl- und Glas-Projekte. Baturinas Firmen, die Grundstücke im Ausmaß von 400 Hektar besitzen, wurden zu Profiteuren der gigantischen Vorhaben: So ist Inteco bei Luschkows Prestigeprojekt, dem Einkaufs- und Büroviertel "Moskau-City", mit von der Partie. Allein im Bereich gewerblicher Immobilien sind bis 2012 Investments von vier Milliarden Dollar geplant.

Damit nicht genug: Baturina verdankte der Stadt auch zahlreiche Wohnbau-Aufträge, sodass sie schon vor einigen Jahren gut ein Viertel des Moskauer Wohnungsneubaus kontrollierte. Dabei kam ihr die Umwidmung von billigem Naturschutzgebiet in teures Moskauer Bauland häufig gelegen und ließ zumindest eine bevorzugte Behandlung vermuten. Lukrative Aufträge ergatterte die Luschkow-Gattin auch in St. Petersburg und Sotchi, obendrein machte sie sich an Projekte in Tschechien, Marokko, Kasachstan und der Ukraine.

In Österreich ist die Oligarchin bereits seit 2004 mit einer Privatstiftung namens Saphros präsent. Zwei Jahre später kaufte sie das Fünfsterne-Hotel Grand Tirolia in Kitzbühel samt Golfklub Eichenheim und steckte rund 35 Millionen Euro in die Renovierung. 2008 erwarb sie über ihre mittlerweile liquidierte Tirus Tourismusberatung GmbH um 10 Millionen Euro ein feudales Privatanwesen in Aurach, dem Nachbarort von Kitz. Doch die Behörden legten sich quer, sodass Baturina ihren Zweitwohnsitz offiziell erst im Frühjahr 2009 in Besitz nehmen durfte.

Österreich wird zurAuslands-Zentrale

Die reiche Russin lässt in Tirol jedenfalls gerne die Rubel rollen: Sie sponsert den Triathlon Cup, das Musikfestival JazzaNova, für das Stars wie Steve Wonder und Carlos Santana eingeflogen wurden, und gefiel sich schließlich zwei Jahre lang als Gönnerin des ATP-Tennisturniers. Die Zahlungen stellte die leidenschaftliche Tennis- und Golf-Spielerin allerdings ein, weil sich einer ihrer Berater angeblich hatte schmieren lassen. Seither wartet Jürgen Pfauth, Chef der Tiroler Sportmarketing-Firma SIAG - trotz zweier Gerichtsurteile zu seinen Gunsten - auf 600.000 Euro plus Zinsen. Der OGH muss entscheiden. Ein weiterer Streit ums liebe Geld beschäftigt übrigens die Baufirma Porr Solutions, die mit Baturina ebenfalls im Clinch liegt.

Baturina, die laut ihrem Tiroler Anwalt Emilio Stock "100-prozentig intelligent, humorvoll und sehr großzügig" ist, fühlt sich im Nobelort Kitzbühel dennoch so pudelwohl, dass sie ihn mit dem prominenten Ehemann Juri mehrmals pro Jahr zu beehren pflegt, um beispielsweise das russische Weihnachtsfest oder Luchkows Geburtstag prunkvoll zu feiern. Stock: "Die beiden sind ganz liebe, normale Leut, die unsere Gegend sehr gern haben", sagt Stock. Der Spezialist für Liegenschafts- und Immobilienrecht steht der Milliardärin in geschäftlichen Dingen ebenso zur Seite wie der Wiener Anwalt Leopold Specht, der gilt als ihr engster Vertrauter in Österreich.

Baturinas Privatstiftung Beneco, im Mai 2008 gegründet, spielt in ihrem Firmenimperium (siehe Kasten) eine zunehmend wichtiger werdende Rolle: Sie soll alle ausländischen Projekte der Moskauer Inteco-Zentrale von Österreich aus steuern und zugleich auf möglichst steuersparende Weise eine verstärkte geschäftliche Ausrichtung nach Westeuropa forcieren. Die in Kitzbühel ansässige IHM Inteco Hotel Management GesmbH etwa ist vorerst nicht nur für das "Grand Tirolia" samt 18 Loch-Golfplatz Eichenheim zuständig, sondern auch für exquisite Hotelburgen in Moskau, St. Petersburg und im tschechischen Karlsbad

Die einstige Plastikproduzentin, die immer noch ein Drittel des russischen Markts beherrscht, hat es dank des größten Baukonzerns zur reichsten Frau Russlands gebracht. Vor vier Jahren wurde ihr Vermögen vom Wirtschaftsmagazin "Finans" noch auf sieben Milliarden Dollar geschätzt. Damals kaufte Baturina unter anderem Anteile am Energie-Riesen Gazprom, der Sberbank und der Ölfirma Rosneft. 2009 wurde für sie jedoch zum Katastrophenjahr: Nachdem die Aktienkurse um gut zwei Drittel gefallen waren und ihr Vermögen massiv geschrumpft war, musste sie die Papiere von Gazprom & Co. sowie riesige Grundstücke verkaufen, um Kredite zurückzahlen zu können. Der Abverkauf soll ihr 15 Milliarden Rubel, umgerechnet 450 Millionen Dollar, gebracht haben.

Wilde Spekulationen um Baturinas Zukunft

Im Hinblick auf die damalige Schuldenlast bei Inteco war das allerdings ein Tropfen auf dem heißen Stein. Daher wurde die Bürgermeister-Gattin bei der russischen Regierung vorstellig - mit dem Ersuchen, der Staat möge Kreditgarantien im Ausmaß von 50 Milliarden Rubel (umgerechnet 1,1 Milliarden Dollar) abgeben. Immerhin sei die Inteco-Gruppe 2008 als eines der rund 300 systemrelevanten Unternehmen des Landes eingestuft worden.

Der Rausschmiss ihres Mannes - das Paar stand wegen Korruptionsvorwürfen und Günstlingswirtschaft schon längst im Kreuzfeuer der Kritik - dürfte für sie höchstwahrscheinlich zum weit größeren Problem werden: Baturina hat zwar jegliche Anschuldigungen stets vehement bestritten, doch die neue Stadtführung wird via Staatsanwaltschaft allfällige gesetzwidrige Handlungen bei den spektakulären Deals, die in der Regel von Luschkow abgesegnet wurden, aufzudecken versuchen.

Öl ins Feuer goss vorige Woche der Bruder der Bau-Zarin, der 2006 den Konzern im Streit verlassen musste: Viktor Baturin forderte die Ermittlungsbehörden via "New York Times" auf, unverzüglich "sorgfältige Prüfungen" etwaiger "krimineller Aktivitäten" der Schwester einzuleiten.

Und schon machen "wilde Spekulationen" (Anwalt Stock) die Runde, dass Baturina zumindest teilweise enteignet werden und das Ehepaar seinen Hauptwohnsitz in absehbarer Zeit notgedrungen in Berge bei Kitzbühel verlegen könnte. Kein Gerücht ist jedenfalls, dass der Ex-Bürgermeister ("Wir sind ehrenwerte Leute") in der Nobel-Gemeinde eine größere und vor allem abgeschiedener gelegene Villa kaufen möchte. Als Übergangslösung stünde in Baturinas Grand-Hotel die 300 Quadratmeter große Präsidentensuite zur Verfügung.

Zur Person: Elena Baturina

Elena Baturina wurde am 8. März 1963 geboren, absolvierte das renommierte Moskauer Managementinstitut Ordzhonikidze und startete ihre steile Karriere in der Stadtverwaltung, genauer gesagt: in der Kommission für die ersten sowjetischen Privatunternehmen. 1991 gründete sie gemeinsam mit ihrem Bruder Viktor die Kooperative Inteco, die ursprünglich Plastikwaren herstellte.

Im selben Jahr heiratete sie, mit 28, ihren für die Vergabe von Lizenzen zuständigen früheren Vorgesetzten Juri Luschkow. Dieser wurde ein Jahr später Moskauer Bürgermeister und ermöglichte Baturina fortan einen kometenhaften Aufstieg. Immer wenn sie wegen ihrer guten Beziehungen ins Kreuzfeuer der Kritik geriet, verteidigte er sie mit Vehemenz: "Niemand hat ihr Ölquellen, Grundstücke oder Naturressourcen des Landes geschenkt - sie ist eben eine sehr tüchtige Geschäftsfrau."

Die russische Powerlady lebt mit ihrer Familie auf einem Landsitz mit eigenem Gestüt vor den Toren Moskaus, hält sich allerdings auch gerne in der Tiroler Bergwelt auf, wo sie ein feudales Anwesen in Kitzbühel besitzt. Baturina hat zwei Töchter (Elena, 18, und Olga, 16), ihre Schwester ist mit dem Geschäftsmann Wladimir Jewtuschenko, Chef des russischen Mischkonzerns Sistema, verheiratet.

Das Imperium

Die Firma Inteco wurde 1991 gegründet und stellte als Spezialistin für Polypropylen ursprünglich Plastikwaren her, etwa Einweggeschirr, Küchengeräte und Plastikmöbel. Firmenchefin Baturina gab sich damit nicht zufrieden und expandierte in den Baubereich. Abgesehen von großflächigen Wohnbauten konzentrierte sie sich auf die Errichtung von zumeist spektakulären Shopping Centers und Bürokomplexen.

So etwa mischte sie beim Bau des 80 Meter hohen "Trinity-Towers", des Hotel-Komplexes "New Tone Park", des "Cosmo-Parks" oder des "Fusion-Parks" samt "Autoville"-Museum mit. Ihre laufenden und geplanten Bauprojekte umfassen eine Fläche von rund sechs Millionen Quadratmeter.

Neben Plastikfabriken gehören mehrere Bau- und Immobilienfirmen, sowie die Zementwerke Atakay und Verkhnebakansky zur verschachtelten Inteco-Gruppe, weiters ein Handelsunternehmen, Architektenbüros wie das russisch-deutsche Joint Venture BRT-Rus, ein Landwirtschaftsbetrieb sowie die Russkij Zemelnyj Bank (Bodenbank), bei der Baturina als Großaktionärin im Board of Directors sitzt.

Die in Moskau ansässige Inteco-Holding ist für Strategie- und Finanzierungsaufgaben zuständig. Die operative Verantwortung haben die Tochterfirmen, beispielsweise die Alfa-Plast Ltd., die NP ProfStroi-Group oder die Patriot CJSC, die neue Grundstücke für leistbare Wohnbauten erschließt. In Österreich sind u.a. die Inteco Management AG, die IHM Inteco Hotel Management GesmbH sowie die Privatstiftungen Saphros und Beneco im Firmenbuch eingetragen.