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Die Online-Spiele

Von Tamara Arthofer

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Was Murrays Hunde mit Bleasdales Verlobung zu tun haben - und warum man den Twitter-Hype trotz allem nicht verteufeln sollte.


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Das Internet ist ja bekanntlich eine Fundgrube für Wissen aller Art, nützliches und solches, das die Welt nicht braucht. Die Olympischen Spiele 2012 markieren auch in dieser medialen Hinsicht einen Wendepunkt - oder eher den vorläufigen Höhepunkt einer unaufhaltsamen Entwicklung. Erstmals verfolgen laut IOC mehr Menschen das Geschehen via Internet und Handy-Übertragungen als über das klassische Fernsehen, die Sportler wiederum sind längst zu ihren eigenen Paparazzi geworden.

Tamara Arthofer
Tamara Arthofer ist Sport-Ressortleiterin.

Da wird gezwitschert und gepostet, was die Tastatur hergibt, betätigen sich Sportler als Fotografen und Poeten wie Markus Rogan, als er über Andy Murrays Tennis-Sieg reimte: "Geht’s nicht um Geld sondern Ehre, kommt sich Murray nicht in die Quere." Über den literarischen Wert solcher Beiträge kann man diskutieren, und nicht allen muss der Hype um die sozialen Netzwerke gefallen. Im Rausch der Emotionen (oder anderer chemischer Verbindungen) ist schnell einmal etwas gepostet, das man dann vielleicht bereut. Negative Auswüchse gab es ja schon genug, auch bei diesen Spielen mussten schon einige Sportler wegen beleidigender oder diskriminierender Aussagen (geht natürlich gar nicht) vorzeitig die Heimreise antreten. Andererseits sollte man schon auch Sportlern jenes Maß an gesundem Menschenverstand zutrauen können, um zu wissen, was man schreiben darf und was nicht. Und für die Fans eröffnen Twitter, Facebook und Co. schließlich ganz neue Perspektiven. Wir sehen Usain Bolt in selbstverliebten Posen vor dem Spiegel und beim Feiern, wissen dank Murray, dass sich Hunde auch mit Halsschmuck in Form von Medaillen ganz lieb machen, wissen, dass US-Schwimmerin Missy Franklin ein Fan von Justin Bieber ist, und erfahren hautnah, wie nah Freud’ und Leid zusammenliegen, wenn etwa die nach ihrem sechsten Platz in Tränen aufgelöste Stabhochspringerin Holly Bleasdale wenige Stunden später über ihre soeben erfolgte Verlobung jubelt. "Sechster Platz bei Olympia und dann Verlobung - ein epischer Tag", postete sie.

In Zeiten, in denen die Sportler oft eher als Maschinen angesehen werden, in denen sie immer abgeschotteter im olympischen Dorf leben, lässt nun also ausgerechnet das Internet die Athleten irgendwie menschlicher wirken, sie werden an- und begreifbarer für den gemeinen Sportfan. Folgedessen sollte auch der organisierte Sport die Möglichkeiten trotz aller potenziellen Auswüchse, die man ohnehin nie verhindern kann, begrüßen. Man muss ja nicht alles lesen. Und ganz so schlimm, dass alles nur noch im Internet passiert, ist es ja doch nicht - zumindest wenn man Olympia-Seelsorger Pater Bernhard Maier glaubt. Ihm ist die Online-Entwicklung nämlich relativ wurscht. "Ich weiß, dass ich nie durch Facebook ersetzt werden kann", sagt er. Na bitte. Der Mann hat Gottvertrauen.

Twitternd durch OlympiaOlympia 2012