Zum Hauptinhalt springen

Die Opposition formiert sich

Von Ines Scholz

Europaarchiv
Kasjanow und Nemzow (oben) hoffen auf Teilnahme an den Wahlen 2011/2012. Foto: reu

Nemzow, Kasjanow und Ryschkow als Speerspitze. | Registrierung als größte Hürde. | Moskau/Wien. Russlands Demokraten versuchen das Unmögliche: Bei der kommenden Parlaments- und Präsidentenwahl (2011/12) wollen sie das autokratische Machtsystem des Wladimir Putin herausfordern. Um dieses Ziel zu erreichen, riefen sie nun in Moskau eine gemeinsame Partei ins Leben. Ihr Name ist zugleich Programm: "Für ein Russland ohne Willkür und Korruption" nennt sich das kremlkritische Bündnis. Angeführt wird es von prominenten Ikonen der Oppositionsbewegung: Boris Nemzow, Michail Kasjanow und Wladimir Ryschkow. Vierter Kovorsitzender ist der - im Westen eher unbekannte - Gründer der Bewegung "Demokratische Wahl", Wladimir Milow.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 14 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Neben dem Kampf gegen die ausufernde und bis in höchste Politikkreise reichende Korruption fordert die Partei vor allem freie und demokratische Wahlen. Das Bündnis will sowohl bei der Dumawahl in einem Jahr als auch bei der Wahl des neuen Kremlsführers im März darauf antreten. Mit welchem Kandidaten, soll im Sommer bekannt gegeben werden.

Die größte Hürde aber, die der Partei noch bevorsteht, ist die Registrierung. Als echte Oppositionspartei hat sie kaum Chancen auf Zulassung. Bis April wollen die Demokraten die notwendigen 45.000 Unterstützungsunterschriften der kremlfreundlichen Zentralen Wahlkommission vorlegen. Doch dort herrscht politische Willkür. Die Wahlkommission hatte schon in früheren Fällen bei nicht-genehmen Kandidaten und Parteien Argumente gefunden, um sie vom Urnengang auszuschließen. Ein ähnliches Schicksal droht auch dem Bündnis "Für ein Russland ohne Willkür und Korruption", befürchten Beobachter. Zwar kündigte Nemzow in diesem Fall wöchentliche Protestkundgebung vor dem Kreml an. Diese werden die Machtstrategen von Premier Putin aber kaum beeindrucken. Dessen Meinungsmacher geben sich entsprechend zynisch. "Der Kreml reagiert übertrieben auf die Nichteinverstandenen. Wenn sie wirklich allen Forderungen entsprechen, dann würde ich sie an der Stelle des Kremls zur Wahlteilnahme zulassen, damit sie ihre redlich verdienten anderthalb Prozent bekommen", zitiert die staatliche Nachrichtenagentur Ria Novosti den kreml freundlichen Politologen Sergej Michejew.

Zweifel an einer erfolgreichen Registrierung der neuen Partei haben bislang auch den Ex-Schachweltmeister Garri Kasparow davon abgehalten, sich der Partei der Demokratieaktivisten anzuschließen. Eine endgültige Entscheidung habe er noch nicht gefällt, meinte Kasparow, dessen Solidarnosc-Bewegung regelmäßig Anti-Regierungs-Proteste veranstaltet und offen Putins Rücktritt fordert, kürzlich. Allerdings wäre es nicht das erste Mal, dass in Russland Einigungsversuche der zersplitterten Opposition an gegensätzlichen Interessen oder persönlichen Eitelkeiten der Protagonisten scheitern.

Weil Nemzow und Ryschkow ihre neue Partei aber auf eine möglichst breite Basis stellen wollen, bemühen sie sich, die Union der Sozialdemokraten mit ins Boot zu holen. Deren Vorsitzender ist der ehemalige sowjetische Staatschef Michail Gorbatschow, der die Bewegung vor zwei Jahren gemeinsam mit dem russischen Milliardär Alexander Lebedew ins Leben gerufen hatte. "Die Gespräche zur Mitgliedschaft Gorbatschows dauern an", sagte Ryschkow.