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Auf der verzweifelten Suche nach einem Spitzenkandidaten ist das BZÖ beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk fündig geworden. Wieder einmal.
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Der Weg, auf dem Walter Sonnleitner, der Spitzenkandidat des BZÖ für die Wiener Landtagswahl, nun wandelt, ist eigentlich längst zur Autobahn ausgetreten. So viele haben ihn bereits hinter sich gebracht.
Helmut Zilk war einer der ersten und der mit Abstand Erfolgreichste. Halbwegs an ihn reicht eigentlich nur Ursula Stenzel heran. An Franz Kreuzer erinnern sich wohl nur noch ältere Semester. Das gilt auch für Ingrid Wendl. Hans Kronberger, Reinhard Jesionek, Karin Resetarits, Jutta Wochesländer oder Theresia Zierler sind dagegen höchstens noch Polit-Insidern ein Begriff. Hans-Jörg Schimanek kann man wenigstens noch in der Floridsdorfer Bezirksvertretung persönlich antreffen.
Josef Broukal hat immer noch einen klangvollen Namen, auch wenn er längst selbständiger Berater ist. Mercedes Echerer steht wieder auf den Brettern, die angeblich die Welt bedeuten. Gerhard Seifried ist in Wolfsberg als Bürgermeister ein gefragter Mann. Und Gertrude Aubauer legt sich im Nationalrat für Senioren-Anliegen ins Zeug.
Alle diese Personen haben vom ORF den Weg in die Politik gefunden.
Das verwundert nicht. Im besten Fall verleiht ein vom Bildschirm der Nation bekanntes Gesicht einer Partei frischen, unverbrauchten Glanz. Natürlich macht ein solches Engagement aus Parteiperspektive auch ökonomisch Sinn - schließlich reduziert ein prominenter Kandidat die Kosten einer Wahlwerbekampagne erheblich. Und zudem stellen sich allein schon wegen der Medien-Prominenz des Quereinsteigers weitere Storys ein - völlig gratis noch dazu.
Die Parteien wären schön blöd, wenn sie beim ORF-Personal nicht zugreifen würden. Schließlich kann man unseren Politikern viel vorwerfen, aber ganz sicher nicht, den eigenen Vorteil zugunsten mehr oder weniger abstrakter Prinzipien hintanzustellen.
Aber was treibt die ORF-Journalisten dazu, sich in solchen Scharen vor den Karren der Parteien spannen zu lassen? Ein Gefühl, von der großen Politik vernachlässigt, ja geradezu geringgeschätzt zu werden, kann es wohl eher nicht sein. Ansonsten müssten die ständigen ORF-Klagen über versuchte oder tatsächliche Interventionen seitens der Politik stark an Glaubwürdigkeit verlieren.
Natürlich steckt in jedem Journalisten - hoffentlich zumindest - ein Homo Politicus mit ausgeprägten Standpunkten. So gesehen ist die Versuchung groß, wenn einmal die Chance lacht, auf die andere Seite hinüberzuwechseln. (Der Autor hat übrigens, um auch dies offenzulegen, den umgekehrten Weg eingeschlagen.)
Aber solche Wechsel sind per se problematisch, denn Glaubwürdigkeit ist im öffentlich-rechtlichen Journalismus ein flüchtiger Stoff. Die Karawane journalistischer Aushängeschilder zu den politischen Parteien lässt in ihrer Summe Zweifel an der Unabhängigkeit aufkommen. Es ist die Masse, nicht zwingend der Einzelfall, der zu diesen Bedenken Anlass gibt.
Zumal auch abseits eines Seitenwechsels ständig die Gefahr von Grenzverletzungen droht. Der scheidende Chef der TV-Magazine, Johannes Fischer, hat dieser Tage erst selbst als persönlichen Fehler bezeichnet, dass er einst einen Parteitag der Grünen moderierte. Kultur-Lady Barbara Rett tat dies erst kürzlich für Heinz Fischer, als der Bundespräsident für seine Wiederwahl warb. Und mindestens so fatal wirkt sich die ständige Gerüchteküche am und um den Küniglberg aus, wer denn als Nächster einen Top-Job in der Politik ergattern könnte.
Jeder Bürger ist frei, sich politisch nach seinem Geschmack zu engagieren. Für Journalisten erweist sich dieses Recht als prekäre Gratwanderung.