Drei Tage war die "größten ORF-Reform aller Zeiten" alt, schon gab Programmdirektor Wolfgang Lorenz in einem Interview mit der APA Durchhalteparolen aus. Man brauche "jetzt gute Nerven und Zeit". Die schlechten Quoten der ersten Tage seien nicht repräsentativ und zudem sei das schöne Wetter schuld daran, dass viele der neuen Sendungen nach einem nicht berühmten ersten Tag ihre Zuschauerzahlen zuletzt sogar noch halbiert hatten. Ein Schelm, wer angesichts solcher Worte an den Spruch denkt: "Sieger sehen anders aus". Wenn schon der eigene Programmdirektor nicht vom Start seiner Produkte überzeugt ist, wer dann?
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Dennoch hat Lorenz natürlich mit seiner Analyse recht. Denn die Gründe für den vielerorts mit großer Ernüchterung rezipierten Start der neuen Sendungen hängen natürlich zentral mit dem Zeitfaktor zusammen. Immerhin ist der neue ORF-Chef Alexander Wrabetz und sein Direktorenteam offiziell erst seit Jänner im Amt, bis die übrigen Schlüsselpositionen der dritten und vierten Ebene besetzt waren, vergingen weitere Wochen bis Monate.
Manche Sendungschefs wurden gar erst wenige Wochen bis Tage vor dem Start ihrer neuen Sendung bestellt. Von genug Redakteuren, geschweige denn einem eingespielten Team können viele von ihnen bis heute nur träumen. Um es mit einem bekannten ORF-Mann zu sagen: "Wir haben unfassbar gehudelt."
Das Problem ist, dass Fernsehen sich mit schnellen Änderungen nicht verträgt. Komplizierte - geschweige denn reflektierte - Entwicklungsprozesse brauchen Zeit. Vor allem die Rekrutierung von Personal unter Druck ist problematisch: Gute Leute bekommt man sicher nicht von heute auf morgen, viele haben fixe Verträge mit lange Kündigungsfristen und können nicht binnen kurzer Zeit wechseln. Wenn man hastig rekrutiert, bekommt man eben oft die, die ohnehin viel Zeit haben.
Das freilich führt zum zweiten Problem: Beim ORF verstehen mache unter Reform leider immer noch, dass man die Kulissen ändert und im übrigen dieselben Leute das, was sie schon immer gemacht haben, weiter tun - nur unter einem anderen Sendungsnamen. Das freilich reicht natürlich nicht.
Auch für ausreichend Marktforschung hatte man keine Zeit. Es ist kein Wunder, dass TV-Sender sich oft Monate Zeit lassen, ihre Piloten vor verschiedenen Gruppen abzutesten und deren Meinung einzubauen. Dem Vernehmen nach ist das kaum passiert. Vor allem wenn man - wie der ORF - mit der Soap "Mitten im Achten" Neuland betritt, darf man keine Kompromisse machen. Diese (zudem extrem teure) Sendung kann nicht getestet worden sein - dazu ist die Ablehnung viel zu einhellig.
Zudem hat der ORF dank seiner Marketingmaschine Erwartungen generiert, die er nun nicht erfüllen kann. Das Resultat ist selbst produzierte Enttäuschung. Aber auch diese geht vorbei. Man sollte sich nun wenigstens bei den Nachjustierungen Zeit lassen.