Die Wiederwahl von ORF-Generaldirektorin Monika Lindner ist keineswegs so fix wie es derzeit den Anschein hat. Immerhin geht es um des Landes größte Medienorgel.
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In einem halben Jahr, höchstwahrscheinlich in der zweiten Augustwoche, wird der nächste ORF-Generaldirektor gewählt. Monika Lindner hat mehrfach betont, erneut antreten zu wollen - und bekam dafür bereits öffentliche Unterstützung von VP-Granden wie Wilhelm Molterer .
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Eines gilt es nur zu bedenken: ORF-Wahlen gehorchten stets anderen Gesetzen. Nach der Papierform - also der parteipolitischen Zuordnung der Kuratoren (heute Stiftungsräte) - hätte Gerd Bacher nie seine Comebacks feiern können. Als legendär in der ORF-Geschichte gilt die Verrätersuche des früheren SP-Zentralsekretärs Karl Blecha . Auch die letzte Wahl verlief spannend: Noch kurz vor der entscheidenden Sitzung ging Stiftungsratsvorsitzender Klaus Pekarek von Gerhard Weis ' Wiederwahl aus. Entscheidend war dann eine SMS von Jörg Haider (damals FPÖ).
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Zur Ausgangslage: Nach den Wahlniederlagen in Salzburg und der Steiermark verlor die ÖVP den jeweils von den beiden Bundesländern direkt gestellten Stiftungsrat. Bei der demokratiepolitisch fragwürdigen Fax-Wahl für die aus dem sonst ohnmächtigen Publikumsrat entsandten Stiftungsräte setzte sich zum zweiten Mal die SPÖ gegen die mobilisierungsschwächere ÖVP durch und behauptete drei Sitze. Neun Räte stellt die Regierung - bisher im Verhältnis fünf (ÖVP) zu vier (BZÖ). Eine Neuaufteilung sollte seit Jänner fixiert sein, verzögerte sich aber immer wieder. Fristgerecht müsste sie bis Donnerstag dieser Woche erfolgen.
Wenn sich die Koalitionsparteien auf einen neuen Schlüssel von sieben zu zwei einigen, käme die ÖVP auf 17 der 35 Sitze. Verzichtet das BZÖ gar auf drei ihrer bisher vier Regierungsmandate, hätte die ÖVP knapp die absolute Mehrheit. Rein rechnerisch - siehe oben. Eine sehr knappe Mehrheit. Und auf Unterstützung von FPÖ und BZÖ kann die ÖVP vorerst nicht zählen: Rein machtpolitisch - und so verlaufen ORF-Wahlen immer - haben beide Kleinparteien keinen Grund, gleich im ersten Wahlgang zu entscheiden. Sie benötigen ihre Karten, um in der ORF-Wahlkampf-Berichterstattung nicht "abgeschrieben" zu werden, wie Jörg Haider erkannt hat.
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Nach langem Zögern hat sich vergangene Woche SPÖ-Vorsitzender Alfred Gusenbauer eindeutig deklariert. Mit einem klaren Nein zum "Lindner-ORF" in einem APA-Interview wollte er offenbar sich anbahnenden Spekulationen über eine Vorleistung zu einer großen Koalition ein Ende bereiten. Kolportiert war ein Entgegenkommen der ÖVP beim nächsten Informationsdirektor.
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In der aktuellen Ausgabe des "profil" legte Gusenbauer nach: Der bekennende Sozialdemokrat Alexander Wrabetz , Kaufmännischer Direktor des ORF, sei "der Einzige, der den ORF noch vor dem Untergang retten kann und besonnen und verantwortungsvoll agiert." Seither ist natürlich die Stimmung im ORF-Direktorium vergiftet. Wrabetz kann das egal sein: Stellt die SPÖ den Kanzler, ist er papabile. Wenn nicht, kann er Finanzlandesrat in Wien werden (Sepp Rieder gilt schon seit längerem als amtsmüde) oder in die internationale Medienwelt gehen: Gerhard Zeiler , Ex-ORF-Chef und nun CEO der RTL Group, könnte ihm ein Angebot machen.
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Entscheidend wird wohl wieder einmal sein, ob die ORF-Betriebsräte über Fraktionsgrenzen hinweg gemeinsam stimmen. Ein SP-Betriebsrat hat das Gusenbauer vor der letzten Wahl bei einer Besprechung im SP-Klub ganz simpel erklärt: "Wir Betriebsräte müssen auf der Siegerseite sein, sonst zählen wir nicht. Und ich sitze dann als Portier im ORF-Zentrum."
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