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Drei Wochen sind ein guter Zeitrahmen für Voruntersuchungen.
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Wien. Der Gedanke, dass man während einer Operation aufwachen könnte (im Fachjargon Awareness) oder im Anschluss daran nicht mehr, bereitet vielen Menschen ein ungutes Gefühl im Bauch, das bis hin zur Panik ausarten kann. Die Angst vor der Narkose ist oft wesentlich größer als vor dem operativen Eingriff selbst. Im Durchschnitt ist jedoch nicht einmal ein Prozent aller schweren Komplikationen auf Narkoseprobleme zurückzuführen, versucht Sibylle Kozek-Langenecker, Präsidentin der Österreichischen Gesellschaft für Anästhesiologie, Reanimation und Intensivmedizin (ÖGARI) und Leiterin der Anästhesie im Evangelischen Krankenhaus Wien, zu beruhigen.
Klare Abfolge einzuhalten
Neue Richtlinien sollen Narkosen künftig noch sicherer machen. Während früher möglichst knapp vor dem OP-Termin in Windeseile das Labor und der Internist abgeklappert wurden, um eine Freigabe zu erhalten, gibt es mit einer neuen Bundesqualitätsleitlinie ab 2012 eine klare Abfolge vor einer geplanten Operation einzuhalten, erklärt Kozek-Langenecker im Gespräch mit der "Wiener Zeitung".
Wesentlich zu berücksichtigen sind dabei der Gesundheitszustand des Patienten und die Art der Operation. So werden bei einem jungen Patienten ohne Begleiterkrankungen bei einem einfachen Eingriff, wie etwa einer Kniearthroskopie, künftig keine zusätzlichen Befunde mehr erforderlich sein, erklärt Kozek-Langenecker. Ist ein Mensch hingegen nicht fähig, zwei Stockwerke, ohne Herzrasen und Schweißausbruch zu bekommen, zügig zu überwinden, werden das bisher übliche Blutbild und ein Lungenröntgen nicht ausreichen. Der Internist wird dann mitunter noch eine Überprüfung der Lungenfunktion und einen Herzultraschall anordnen.
Eckpfeiler in allen Fällen ist ein intensives Gespräch mit dem vorbereitenden Arzt, der individuell auf spezifische Risiken des jeweiligen Patienten Rücksicht nimmt. Zur Seite steht den Ärzten künftig die sogenannte Präoperative Befundung (PROP) - eine Internetanwendung -, die unnötige Befunde, unnötige Patientenwege und Doppelbefundungen vermeiden helfen soll und damit auch Kosten einspart.
Eine dreiwöchige Vorbereitungszeit sieht Kozek-Langenecker als guten Handlungsspielraum, um eventuelle Risiken zu reduzieren. So könnten in dieser Zeit etwa noch Anämien (Verminderung der roten Blutkörperchen) mittels Eisenpräparaten entschärft werden, um sich bei größeren Operationen mitunter Blutkonserven ersparen zu können.
Voll- oder Teilnarkose
"Eine Operation gehört im Prinzip ebenso gründlich geplant wie eine größere Reise", erklärt die Anästhesistin. Und das auch angesichts der Tatsache, dass "wir zusehends ältere und kränkere Patienten im OP haben".
Grundsätzlich wird zwischen einer Allgemeinnarkose und einer Regionalnarkose (Voll- und Teilnarkose) unterschieden. Die Allgemeinnarkose führt zu einem schlafähnlichen Zustand, um Schock- und Stresssituationen des Körpers blockieren zu können. Zusätzlich zum Narkotikum werden Schmerzmittel und eventuell Muskelrelaxantien (muskelentspannende Mittel) verabreicht.
Zu 90 Prozent mit Propofol
Als Narkotikum kommt in 90 Prozent der Fälle das zuletzt wieder in Verruf geratene Propofol zum Einsatz. Zwar sind Barbiturate, Etomidat oder Ketamin Alternativen dazu, die allerdings, "was die Wirksamkeit und Sicherheit anbelangt, Propofol nicht würdig sind". Das Mittel "ist sicher, wirksam und sehr gut steuerbar, dämpft Übelkeit und die Patienten wachen vorhersehbar und schnell auf", erklärt Kozek-Langenecker. Probleme treten nur bei langer Anwendung, hoher Konzentration und im Zusammenhang mit bestimmten Medikamenten auf, so die Anästhesistin - das muss der Arzt wissen.
Gasnarkosen - etwa mit dem sogenannten Lachgas - stellen zwar eine sehr sichere und wirksame Variante dar, sind aber nicht bei allen Operationen einsetzbar, da es häufig zu starker Übelkeit führt. Außerdem wird Lachgas aus Arbeitsplatzsicherheitsgründen immer weniger verwendet. Anästhesisten waren aufgrund dessen vermehrt von Aborten (Fehlgeburten) und Krebserkrankungen betroffen.
Die Regionalanästhesie ist ein besonders schonendes, elegantes Verfahren, um Teile des Körpers empfindungs- und schmerzfrei zu stellen, und hat den Vorteil, dass nicht der ganze Mensch beeinträchtigt wird. Üblich sind hier die Peridural- und die Spinalanästhesie - zwei Verfahren, die eine zeitweilige, umkehrbare Funktionshemmung von ausgewählten Nervensegmenten erlauben. Die Gefahr, gelähmt zu bleiben, sei aufgrund der technischen Möglichkeiten so gut wie ausgeschlossen, betont die Anästhesistin.
Für Operationen an den Extremitäten können auch unmittelbar an Armen oder Beinen mittels Ultraschallsteuerung Nerven angestochen und damit blockiert werden. Dem Patienten ist es bei der Teilnarkose freigestellt, ob er ein Schlafmittelmittel nehmen, plaudern oder Musik hören möchte.
Wichtiger Teamspieler
"Der Job des Anästhesisten ist es, die Organe bei Laune zu halten und Blutungen zu stillen", so Kozek-Langenecker. Er ist der Erste im OP und der Letzte im Aufwachraum - hält den Patienten damit permanent im Auge und ist somit einer der wichtigsten Teamspieler rund um einen operativen Eingriff. Diesem Alltagsdruck sind viele nicht gewachsen. Unter allen Ärzten gibt es bei den Anästhesisten die höchste Sucht-, Burn-out- und Suizidrate zu verzeichnen. In Österreich sind rund 2000 Anästhesisten an den meisten Notarztstützpunkten, den Intensivstationen, Schmerzambulanzen und im OP tätig.